WIE WERDE ICH WEINLIEBHABERIN

Gabriel_profil_icon From Rene GabrielPremium_small, at 30. June 2010 16:39

Fragen zur Maturaarbeit von Lea Moser. Antworten von René Gabriel

Wie sind Sie zu Wein gekommen? Wurde bei Ihnen zu Hause bereits Wein getrunken?
Mir schmeckte Wein immer sehr gut zum Essen. Deshalb genoss ich schon Wein als meine Kollegen noch Bier tranken.
Im Elternhaus wurde nur selten Wein getrunken. Er hatte fast keinen Stellenwert.

Was haben Sie für einen persönlichen Bezug zu Wein?
Wein ist ein fester Bestandteil in meinem Leben. Es vergeht (fast) kein Tag ohne Wein.

Sie haben den ganzen Tag mit Wein zutun, geniessen Sie ihn auch in der Freizeit?
Absolut. Wein ist kulturelle Freundschaftspflege und ein Genusselixier.

Braucht es ein gewisses Grundwissen um einen guten Wein schätzen zu können?
Robert Mondavi sagte einmal: «To love wine you have to have an open heart».
Wenn Wein nicht bewegt, dann ist er nur Mittel zum Zweck.

Braucht es viel Eigenstudium um Weinkenner/in zu werden?
Heute ist das viel komplizierter, weil alle Weine der Welt zum Weinkennen gehören. Also ist Allround-Wissen extrem aufwändig und bedingt Geld, Zeit und Gedächtnis.

Wie gelangt man am Besten zu Wissen über Wein?
Aus Neugier, Pflege von gleichgesinnten Freundschaften, Lesen, Teilnahme an Degustationen, Kurse an der Academie du Vin. www.academie.org, Coop-Wein-Kurse etc. 

Wie wird man zu einer Weinliebhaberin?
Echte Liebe zum Wein und… siehe oben

Würden Sie sagen, dass es für junge Leute schwierig ist einen Bezug zu Wein herzustellen?
Eigentlich ja, weil der Kollegenkreis durch ein anderes Konsumationsverhalten geprägt ist. Zudem ist der Kontakt zu sehr guten Weinen sehr teuer geworden. 

Sollte man ein gewisses Weinvokabular beherrschen, um unter Weinliebhabern zu kommunizieren?
Ja, aber ein naturnahes, allzu hedonistische Aussagen verwirren. Wichtig ist, dass man die Zusammenhänge vom Rebstock zu Flasche nahtlos erkannt und auch von Nuancen der verschiedenen Herstellung zu berichten weiss. Und einen erlebten Genus sympathisch dokumentieren kann und in Relationen setzt. Wein erzählt Geschichten….

Was entscheidet darüber, ob man den Wein schätzt oder bloss als Getränk wahr nimmt?
Das Glücksgefühl das man beim Genuss erlebt. Im Buch «die Glücksformel» von Stefan Klein ist dieser Umstand herrlich erklärt und beschrieben. Serotonin als Genusswaffe! 

Was kann bei der Degustation einen Einfluss auf das Schätzen des Weins haben? (Tagesverfassung, Stimmung einer Person, Essgewohnheiten)
Alles. Degustieren ist Tagesform. Persönlich aber die qualitativen Umstände der Probe. Temperatur des Weines, Lagerung, Glas. Und… da gehört sogar noch das Wetter dazu: Tiefdruck und Hochdruck wirken sich auf die physische Konstellation des Weines aus!

Kann man einen Wein wirklich rein objektiv bewerten? Bsp. Punktesystem mit 20 oder 100 Punkten.
Kein Leichtathletiker läuft seine 100 Meter immer in der gleichen Zeit. Welche seiner bisherig gelaufenen Zeiten ist jetzt die richtige Bewertung für seine Grundleistung? Seine beste oder seine schlechteste Zeit? Auch ich bewerte manchmal den gleichen Wein etwas höher, aber auch manchmal leicht tiefer. Nicht mit viel Differenz – aber doch mit einer gewissen Differenz. Nimmt man den gleichen Wein den ich schon mehrmals bewertete und stellt man diese Wertung den Punktierungen von anderen Journalisten gegenüber, so ergibt sich daraus ein Bild in dessen Mitte der Spannbreite der effektiven Punkte-Qualität sein kann. Bewerten alle Journalisten den Wein hoch. So ist eine gute Garantie vorhanden. Ist das Bewertungsbild allzu heterogen; Finger weg! 

Was sind Ihre besten persönlichen Erfahrungen mit Wein?
Die unvergesslichen Erinnerungen an besonders schöne Weinerlebnisse. Irgendwie sind wir Genussjäger die eine solche Suche mit möglichst würdigen Menschen gerne teilen.  

Was halten Sie davon, dass Grossanbieter wie Aldi Weine zu einem sehr tiefen Preis verkaufen und ihn als gute Qualität klassifizieren?
Als ich bei Mövenpick vor 20 Jahren meine Arbeit anfing, waren gute Weine teuer und schlechte Weine billig! Heute ist das anders. Wer grosse als Produzent grosse Mengen von Wein produziert, braucht ein genaues Qualitätsmanagement und ein attraktives Marketing um den gewünschten Erfolg zu erreichen. Es gibt nicht wenige Weine die günstig und gut sind. Und es gibt auch Weine die teuer sind und die erwartete Leistung trotzdem nicht erbringen. Also ergibt sich aus dieser Formel das oft zitierte Preis-Leistungsverhältnis. Und das kann auf jedem Niveau gut oder schlecht sein. Auch ich trinke ab und zu – vor allem am Mittag – gerne einen einfachen, ehrlichen und somit auch günstigen Wein.     

Hat der Preis eines Weines, einen Einfluss auf junge/unerfahrene Käufer?
Mehr als 50 % des Weinkonsums und dessen Beschaffung laufen über den Lebensmittel-Grosshandel (Coop, Denner etc.). Das spielt beim primären Kaufentscheid erst Mal der Preis und dann sofort die Aufmachung (Outfit) eine grosse Rolle. Ob der Wein dann wieder gekauft wird, hängt vom Genuss ab, den das Produkt effektiv vermittelte.  Wer keine Ahnung vom Wein hat, kauft sich immer wieder die «schönsten Flaschen» innerhalb seines Budgets. 

Spielt es für die spätere Entwicklung eine Rolle, ob man eher in einer Weingegend oder einer Biergegend aufgewachsen ist? 
Absolut - aber ich würde die Analyse nicht auf Weingegend beziehen, sondern aufs menschliche Umfeld. Bis vor wenigen Jahren trank man in Deutschland mehr Bier wie Wein. Heute ist es etwa gleich und man stellt dabei eine Tendenz von immer mehr Rotweinkonsum fest. Also passt sich Deutschland den umliegenden Ländern mit einer jahrzehntelangen Differenz nach und nach an.  

Gibt es einen typischen Frauen- oder Männergeschmack?
Sprechen wir von den ganz grossen Weinen, dann glaube ich kaum an einen relevanten Unterschied. Frauen neigen tendenziell dazu besonders gut auf die Kombination Speisen und Wein zu achten. Männer sind da eher weinegoistischer und wählen den Wein und das Essen eher nach Vorlieben aus, auch wenn es dann nicht ganz so passt. Auf der untersten Genusschiene ist die Differenz zwischen Frau und Mann gewaltig. Ich sage dazu nur: Prosecco und Bier.    

Gibt es typische lokale Präferenzen (Deutschschweiz, z.B. leichte Rote – Romandie, z.B. spritzige Weissweine – Tessin)?
Das Gefälle des helvetischen Weinkonsums ist gewaltig. Während es die Weine des Südens (Tessin, Wallis und Romandie) es locker bis an die nördlichen Grenzen der Schweiz schaffen, funktioniert der «kantonalen Export» vom Norden in den Süden überhaupt nicht. Die Romands sind sehr Frankreich-fixiert, während die Konsumenten der deutschen Schweiz viel offener sind, gegenüber der ganzen Weinwelt. 

Gibt es hinsichtlich des Geschmackes einen Unterschied zwischen den Generationen?
Ja! Aus mehreren Gründen. Zum einen verfügt die ältere Generation über eine gewachsene, persönliche Evolution und über ein besseres Budget um seine persönlichen Vorlieben zu zelebrieren. Dabei spielt auch die Möglichkeit sich Weine im Keller für den späteren Konsume über Jahre reifen zu lassen eine gewisse Rolle.
Die Jugend sieht den Wein – sofern vor lauter Konsum von Designer-Drinks – überhaupt  entdeckt, als Partygetränk. Dass man Wein als idealen Essensbegleiter sieht, ist eher marginal. Eine Cola schmeckt in dieser Lebensphase zum Hamburger besser als ein Rotwein. In der Regel ist die Wirkung wichtiger als der Geschmack. In den ersten Phasen hin zu einem möglichen Weinkenner ist Power wichtiger als Finesse.  

Ordnen Sie bitte die Begriffe Intensität, Aromen, Farbtönung, Transparenz, Süsse/Säurekomplex, Harmonie, Nachgeschmack und der 1. Eindruck einer Rangefolge ein. Der erste Begriff ist der wichtigste Punkt bei einer Weindegustation, der letzte der etwas Bedeutungslosere.

Eine Aufreihung ist sinnlos. Jede Weinbewertung hat einen chronologischen Ablauf der sich von der Fragestellung unterscheidet.
1. Auge
2. Nase
3. Gaumen
4. Gesamteindruck/Konklusion
5. Wertung
6. Definition der Genussreife

Einen guten Degustator erkennt man daran, dass man beim Lesen Weinbeschriebes mehr Aufmerksamkeit als der Wertung zuwendet.

Eines der grössten Komplimente ist es für mich jeweils wenn die Leute sagen: «Wie viele Punkte gibt Parker – und was sagt Gabriel zu dem Wein!»

 



Unerwartete Rieslinglegende aus der Pfalz getrunken mit guten Freunden im Restaurant Luther in Freinsheim.






1918 Riesling Kieselberg, Bassermann-Jordan: Ockerbraun mit Bernsteinreflexen. Die Nase zu Beginn weg mittelsüss aber mit viel kompotthafter Frucht hinterlegt, gekochte Mirabellen, gelbe Pflaumen, Malz und dicker Honig, aber noch genügend Platz um eine Art Kräuterlikör durchschimmern zu lassen und mit einer erfrischenden Melissentonnote aufzuwarten. Im Gaumen wie ein süsser Manzanilla, Feigensirup und mit Curry-Madeiranote endend. Das Faszinierende war das «Leichte» im «Süssen». Meine allererste ganz grosse Pfalzreifweinerfahrung! 19/20

 

DER WEIN - ACHILLESFERSE FAST ALLER EINLADUNGEN

FRAGE VON CH. W. AUS Z: Mein Beruf und unser Freundes- und Bekanntenkreis beschert uns die Teilnahme an vielen Events, Geburtstagen und sonstigen Einladungen. Auch wenn die Gastgeber noch so wohlhabend sind: Mit dem Wein hapert es fast immer! Praktisch niemand -  es gibt ganz wenige löbliche Ausnahmen - kredenzt einen tollen Bordeaux zu einem Essen oder Bankett! Immer nur irgendwelche namenlosen Italiener oder Südamerikaner, welche nichts anderes bewirken als blaue Zähne und Kopfweh! Was tun dagegen?
Es gibt zwei Lösungen:
1.) Den ganzen Abend nur Mineralwasser trinken.
2.) Aus dem eigenen Keller zwei tolle Flaschen mitnehmen, mitsamt
Korkenzieher, diese an seinem Platz öffnen und... stillvergnügt geniessen.
Aber das kommt manchen Gastgebern in den falschen Hals.
Wisst Ihr eine andere Lösung ?

ANTWORT VON R.G: AUS G: Da gibt es zwei, sensationelle Möglichkeiten:
1. Nicht hingehen. Der Abend wird länger bei schlechtem Wein.
2. Selber Flaschen mitnehmen, dann (auf der Toilette) diese in die "offiziellen Gastgeber-Flaschen" dekantieren und dann das Servicepersonal instruieren, dass dieser Wein diskret nur bei sich eingeschenkt wird.

Habe ich auch schon gemacht. Funktioniert super.


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