NZZ - Online: Der wahre Meister erkennt den edlen Tropfen auch im schrägsten Winkel

Profil_webnwine_marcel_icon From Marcel MerzPremium_small, at 12. October 2010 07:24

Der neue Schweizer Master of Wine

Für Ivan Barbic ist das Jahr 2011 definitiv ein grosser Jahrgang. Dann nämlich wird er zum zweiten Master of Wine des Landes ernannt

Peter Keller -  Schon früh hat er Weine getrunken. Nicht irgendwelche, sondern besonders edle Tropfen. Während seiner Studienferien entdeckte er in einer italienischen Osteria den Kultwein Sassicaia aus der Toskana zum Schnäppchenpreis von 18 000 Lire. Getrunken wurde der Toskaner in einer kargen Unterkunft aus einem simplen Zahnputzglas. Trotzdem bleibt ihm der Wein bis heute unvergessen. Die Liebe zum Wein ist für den 45-jährigen Ivan Barbic bis heute nicht erloschen. Im Gegenteil: Der als strategischer Einkäufer bei der Weinhandelsfirma Bataillard arbeitende Rebenprofi ist bald ganz oben auf der Leiter der Weinliebhaber. Er wird 2011 – als zweiter Schweizer nach Philipp Schwander – den prestigeträchtigen Titel «Master of Wine» (abgekürzt MW) erhalten – für Barbic ein grosser Jahrgang. Um das schwierigste Wein-Examen der Welt zu bestehen, müssen Weine degustiert sowie eine schriftliche Prüfung absolviert werden. Noch fehlt Barbic die Dissertation zu einem selbstgewählten Thema – in der Regel eine Formsache. «Nachdem ich Jahre in die Ausbildung investiert habe, freue ich mich darüber, dass sich nun endlich ein Happy End abzeichnet», sagt Barbic erleichtert. Um ein solches Ziel zu erreichen, brauche es eiserne Disziplin und viel Systematik beim (Selbst-) Studium der Materie. Ohne einen gewissen Ehrgeiz schaffe es niemand, hart dafür zu büffeln, dass dereinst hinter dem Namen diskret die beiden Buchstaben MW stehen. Neun von zehn Kandidaten fallen durch. Im ersten Anlauf schaffen es nur wenige. Das Institut Masters of Wine hat bis heute erst 289 Personen den Titel verliehen. Nun zählt also auch bald der in Zagreb geborene Barbic, der mit seinen Eltern als Dreijähriger in die Schweiz einwanderte, zu diesem elitären Kreis. Dies freut auch den ersten Master of Wine der Schweiz: «Der zweite war überfällig», sagt Schwander, der bereits vor 14 Jahren zum MW geadelt wurde. Ivan Barbic gilt in Fachkreisen als kompetent und tiefschürfend. Er kennt sich in allen Weinthemen blendend aus, ist quasi ein wandelndes Weinlexikon. Zudem wird ihm attestiert, dass er Weine sehr gut degustiert und kommentiert. Trotz seinen unbestrittenen Qualitäten bleibt Barbic aber lieber im Hintergrund und hebt sich somit wohltuend von anderen, lautstarken Wein-Koryphäen ab. Wein ist und bleibt sein Leben – auch nach der Prüfung. Aber der verheiratete Barbic ist froh, wieder mehr Zeit für seine Ehefrau und sein Kind zu haben. Sie mussten jahrelang auf vieles verzichten. «Statt Fachliteratur kann ich endlich wieder einmal ein anderes Buch lesen», freut sich der angehende MW. Zudem will er vermehrt seinen sportlichen Leidenschaften nachgehen – eine Partie Tennis spielen, mit den Ski rasant den Berg hinunterfahren. Barbic trinkt (fast) jeden Tag ein Glas Wein, schaut aber darauf, dass er regelmässig alkoholfreie Perioden einschaltet.

Master of Wine

Master of Wine

Den begehrtesten Titel in der Weinbranche vergibt das 1955 gegründete Institute of Masters of Wine in London. Ziel war es, eine anspruchsvolle Qualifikation für den britischen Weinhandel zu schaffen. Seit 1983 werden auch andere Berufsgruppen zugelassen. Kandidaten aus fremden Ländern akzeptiert die Schule seit rund 20 Jahren. Auch können im deutschsprachigen Raum Vorbereitungskurse an der Weinakademie Österreich in Rust absolviert werden. Wer Master of Wine (MW) werden will, muss fünf Prüfungen über die Themen Ausbau, Qualitätskontrolle, Marketing, kommerzielle Aspekte und allgemeines Weinwissen absolvieren. Dazu kommen drei Degustationen, bei denen zwölf Weine beschrieben, beurteilt und zum Teil auch identifiziert werden müssen. (kep.)

Aus seinem gut sortierten Weinkeller mit rund 1000 Flaschen holt Barbic gerne solche aus dem französischen Rhonetal hervor. Zu den Favoriten zählt der hochkarätige Hermitage La Chapelle vom Weingut Jaboulet. Davon lagern zahlreiche Jahrgänge in der Schatzkammer. Auch die extrem raren Lagen Côte- Rôtie des berühmten Hauses Guigal haben es dem Weinliebhaber angetan. Seine Leidenschaft für die Syrah-Traube, die in den Appellationen Hermitage und Côte-Rôtie zu Hause ist, ist dabei unverkennbar. Barbic kennt nicht nur das Rhonetal wie seine Hosentasche, sondern viele andere Weinbaugebiete. Die beruflichen Stationen haben ihm dabei geholfen, im Laufe der Jahre ein enormes Wissen anzuhäufen und viele Gegenden zu bereisen. Seine Karriere begann an der Forschungsanstalt Wädenswil und führte ihn nachher zu Coop, dem grössten Weinhändler der Schweiz. Dann folgte er einem Ruf des Grossisten Bataillard. Unglücklich und kurz verlief ein beruflicher Ausflug zu Denner. Schliesslich kehrte Barbic wieder zu Bataillard zurück. Dieses Engagement allein genügt ihm nicht. In seiner ehemaligen Heimat Kroatien, genauer auf der bei Touristen beliebten Insel Hvar, produziert er mit einem Bekannten einen Wein aus zugekauften Trauben. Den Medvid, so der Name, wird es erstmals an der diesjährigen Expovina in Zürich zu degustieren geben. «Zudem berate ich Winzer in Kroatien, Spanien und der Schweiz», fügt Barbic an. Schliesslich schreibt er gelegentlich Artikel für die «Schweizerische Weinzeitung». Es ist abzusehen,dass ihm der Titel des Master of Wine in Zukunft weitere lukrative Aufträge bescheren wird. Vielleicht schlägt er ja einen ähnlichen Weg ein wie Kollege Schwander: Der hat eine eigene Weinhandlung gegründet und trifft mit seinem kleinen, feinen Sortiment einen breiten Publikumsgeschmack. www.nzz.ch


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