Ein Weinbaugebiet prescht vor mit Institutionen-übergreifender Ortswein-Initiative und Schulterschluss qualitätsorientierter Erzeuger – Musterbeispiel für die Umsetzung des Herkunftsgedankens im Deutschen Weinbau.
Beim ersten Ortsweinpreview Jahrgang 2010, zu dem VDP Rheinhessen und Rheinhessenwein e.V. jüngst ins Hyatt Mainz luden, wurde klar, dass hier eine ganze Region gemeinsam an einem Strang zieht, um die Chance, die sich aus der Umsetzung des Herkunftsgedankens im Deutschen Weinbau ergibt, zu nutzen. Kein Lamento war zu hören, sondern nur zukunftsgerichtete Gedanken von allen Beteiligten…… Gemeinsam mit den Kollegen der Region das Profil schärfen- Philipp Wittmann
Philipp Wittmann, Vorsitzender VDP-Rheinhessen, konstatierte, dass sich auf der Ortsweinverkostung die Avantgarde des rheinhessischen Weinbaus präsentiere. Grund sei die dreistufige Klassifikation des VDP Rheinhessen, die sich zunehmend zum Vorbild für die ganze Region entwickelte. „Viele qualitätsbewusste Kollegen haben unser dreistufiges VDP-Klassifikationsmodell übernommen und arbeiten gemeinsam und Hand in Hand mit den VDP-Gütern an einem neuen Rheinhessen Profil.” Seiner Meinung nach sind es gerade die ORTSWEINE, die in der Qualitätshierarchie zwischen den Ersten Lagen und den Gutsweinen liegen, immer weiter an Bedeutung gewinnen.
„Ortsweine haben eine Seele“ – Bernd Kern
Bernd Kern, Geschäftsführer Rheinhessenwein e.V., charakterisierte zunächst Rheinhessen heute: Hier sieht er Dynamik und Innovation vor Ort, Mut und Klarheit im Sortiment und eine ausgeprägte Lust am Ausprobieren. Diese Botschaften spiegeln sich seiner Meinung nach auch in den Ortsweinen wider. „Ortsweine sind Weine aus den besten Weinbergen des Ortes, die vom Boden und ihrer Herkunft geprägt sind, sozusagen also den „genius loci“ verkörpern und zudem ein attraktives Preis-Genuss-Verhältnis bieten.“ Anders als Markenweine hätten Ortsweine eine „Seele“, sie ermöglichten einen neuen Blick auf den Ort bzw. Schatz vor der Haustür und würden dadurch zum Bekenntnis zur Herkunft während sie gleichzeitig das Bewusstsein für Heimat schärften.
Für die Etablierung von Ortsweinen bedarf es seiner Meinung nach mehr als Weinbergsarbeit und Lese. Vielmehr sei das Ortswein-Konzept auch eine Mission nach innen, bei der es gelte, dass die Winzer sich ihrer ganzheitlichen Verantwortlichkeit für ihre Weinberg bewusst werden, sich um den guten Namen des Ortes kümmern, ihn bekannt machen, zu schützen und pflegen. Gerade in der globalisierten Weinwelt bieten Ortsweine eine Alleinstellungsmöglichkeit und damit den Schutz vor der Austauschbarkeit: „Riesling gibt es rund um die Welt, aber es gibt nur einen Niersteiner und einen Westhofener“
Bindeglied Ortswein, weil Spitze und Breite einander brauchen – Otto Schätzel
Otto Schätzel, Direktor DLR Oppenheim, sieht die Ortswein-Initiative im überregionalen Kontext: „Der internationale Wettbewerb zwingt die Weinwirtschaft zur Profilierung von Regionen, Betrieben, Rebsorten und Lagen. Das dreistufige Klassifikationsmodell ermöglicht hier eine klar verständliche Einteilung der Weinkategorien nach Herkunft, wobei die Kategorie der Ortsweine als wichtiges Bindeglied zwischen der Basis mit Regional- bzw. Gutsweinen und der Spitze mit den Lagenweinen fungiert.“ Für Schätzel definiert sich eine Angebotspyramide sowohl über die Spitze als auch über die Breite, beide brauchten einander. Dieser Dialog funktioniere in der Dreierpyramide Gutswein – Ortswein – Lagenwein einerseits nach dem TOP- Down – Prinzip, d.h. von oben nach unten, nämlich dann, wenn die Spitze das ganze Basis- und Mittelsegment mit nach oben zu ziehe und Leuchtturmfunktion übernehme. Andererseits löse diese Leuchtturmfunktion einen unübersehbaren Einfluss zur Nachahmung bei anderen Betrieben aus, wodurch gleichzeitig das Botton up Prinzip entstehe. Für ihn bedeutet die Ortswein-Initative in Rheinhessen ganz klar einen Qualitätsaufschwung nach oben: “Weil Herkunft eine Zukunft hat arbeiten wir weiter an Profilen und nutzen die Spielräume der Märkte!“
Herkunftsprofilierung als Impuls für den Markt – Ingo Steitz
Ingo Steitz, Weinbaupräsident Rheinhessen, stellte heraus, dass der Weinbauverband Rheinhessen die Präsentation sehr begrüße, sie sei ein gutes Beispiel für die Umsetzung der die Herkunftspyramide. Im Hinblick auf die durch die EU-Weinmarktreform ausgelöste politische Diskussion, die für Deutschland eine Abkehr vom Mostgewichtsprinzip zum Herkunftsprinzip bedeutet, und durch die Einführung von geschützten Ursprungsbezeichnungen neue Chancen bietet, ergänzte er: “Seit geraumer Zeit schon sind wir in der Diskussion, wie man die angekündigte Länderermächtigung zur Profilierung kleinerer geographischer Herkünfte umsetzen kann. Wir werden uns mit dem Thema weiter befassen und dabei natürlich auch mit dem VDP im Kontakt bleiben. In der Herkunftsprofilierung sehen wir eine gute Chance, dem rheinhessischen Wein neue Impulse am Markt zu geben. Und wir wissen, dass viele junge Winzer die Diskussion mit großen Interesse verfolgen.”
Herkunft als authentisches Geschmackserlebnis – Steffen Christmann
Steffen Christmann, Präsident der VDP Prädikatsweingüter, analysierte, dass es gerade den einstigen ‚‘Schmuddelkindern‘ des deutschen Weinbaus, Rheinhessen und der Pfalz, in den letzten Jahren gelungen sei, aus ihrem Schatten heraus zu treten. Dazu habe enorm beigetragen, dass qualitätsbewusste Erzeuger die Herkunft ihrer Weine profiliert hätten, was ganz allgemein bis dato sträflich vernachlässigt worden sei. Nun fürchteten sich viele Erzeuger vor den Folgen dieses Versäumnisses. Wenn jedoch den Konsumenten klar wäre, analog eines Chablis im Burgund (der aus Chardonnay gekeltert werde), dass ein Niersteiner für einen Spitzenriesling aus Nierstein stehe, der eben nicht austauschbar sei mit einem Riesling von irgendwo, dann wäre für den Markt schon viel gewonnen. „Wir brauchen keine neuen Begriffe, die erst mit Inhalt aufgeladen werden müssen, der Konsument versteht „Herkunft“ als authentisches Geschmackserlebnis, das nur in der Region entstehen kann.
Hintergrund Ortsweine
Seit dem Jahrgang 2008 setzt der VDP Rheinhessen geschlossen sein dreistufiges Klassifikationsmodell um. Die Spitze dieser Qualitätspyramide, die „Erste-Lage“ Weine, haben sich in der Weinwelt unter den besten terroirgeprägten Weinen Deutschlands etabliert. Parallel entwickelt sich das VDP-Modell zunehmend zum Vorbild für die ganze Region. Viele Kollegen haben die Klassifikation übernommen.
Ortsweine sind Spitzenweine aus klassischen Burgundersorten, Silvaner und natürlich Riesling. Es sind Weine erster Güte, die auf eine Lagenbezeichnung verzichten, aber von strengen Qualitätsvorgaben geprägt sind. Ortsweine, Weine aus den besten Weinbergen eines Ortes, sind dicht und zugleich elegant. Sie sind stark vom Boden und ihrer Herkunft geprägt. Durch strenge Qualitätsvorgaben und Verzicht auf weitere Lagenweine sind es Weine erster Güte.
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