Sigi Hiss: Die Neuzugänge des VDP Baden 2012 kritisch betrachtet

Nadia_schmidli_icon From Nadia SchmidliPremium_small, at 13. January 2012 12:06

Pressemeldungen über VDP-Neuzugänge werden in den Fachmedien entweder sehr überschwänglich kommentiert oder eins zu eins übernommen. Hinter vorgehaltener Hand, unter vier Augen kann sich das dann schon mal spiegelverkehrt anhören. „Was haben sie sich den dabei wieder gedacht“ oder „Naja, eine politisch motivierte Aufnahme“. Sind mehr als vier Augen am Gespräch beteiligt, traut sich nur selten jemand, ehrlich und offen seine Meinung zu sagen. Wie steht es also im VDP Baden mit den zwei Neuaufnahmen in 2012? Der Autor hat die Kollektionen der insgesamt fünf Weingüter (nicht nur vor Ort) in den vergangenen Wochen ausgiebig verkostet.

Im Anschluss ein Interview mit Joachim Heger, Vorsitzender des VDP Baden. Er nimmt Stellung zum Aufnahmeprozess im VDP Baden.

Fünf Weingüter in zwei Betrieben. Unter dem Dach der Heitlinger GmbH sind seit ihrer Fusion im Jahr 2009 zwei Betriebe aus dem Kraichgau zusammengefasst: Weingut Heitlinger in Östringen-Tiefenbach und Schlossgut Burg Ravensburg in Sulzfeld. Der Markgraf von Baden geht gleich mit drei Gütern an den Start: Schloss Staufenberg/Durbach aus der Ortenau, Schloss Salem/Salem und Schloss Rheinburg/Gailingen, beide vom am Bodensee.

Das eine oder andere Weingut hat abwechslungsreiche Zeiten hinter sich. Vergangenheit ist Vergangenes. Trotzdem, erstaunt hatte die Meldung über die Aufnahme der neuen Mitglieder nicht wenige. Wie schon erwähnt, fast immer nur hinter vorgehaltener Hand. Überraschend kam die Meldung der Badener Sektion des VDP sogar für den Bundesverband selbst. Baden schaltete flugs zwei Gänge höher und überholte kurzfristig den Bundesverband, der die Aufnahme inzwischen aber bestätigte. Eine reine Formalie, mehr nicht. Ein lausbübisches Grinsen lässt sich da nur schwer unterdrücken.

Wie sieht es aber mit der Qualität der Weine aus? Letztendlich sollte doch diese der Gradmesser sein. Die Pressemeldungen des VDP Baden und des Bundesverbandes lassen da Spielraum erkennen, wird doch stark auf die Erhaltung, Erneuerung und Pflege von Gebäuden und Weinlandschaften fokussiert. Eine wichtige und lobenswerte Sache, Brachflächen und alte Weinbergsmauern zu erneuern und instand zu halten. Im Mittelpunkt einer Neuaufnahme darf das nicht stehen. Oder sagen wir besser, sollte es nicht stehen.

**********************************************************

Heitlinger GmbH

Die Güter der Heitlinger GmbH, Burg Ravensburg und Weingut Heitlinger sind zwei alte und neue Gesichter im VDP Baden. Denn erfolgt ein Besitzerwechsel ist laut Satzung, ein sofortiger Austritt aus dem VDP vorgesehen. Konsequent und absolut richtig. Der dann aktuelle Besitzer muss dem VDP aufs Neue beweisen, dass er die Verbandsphilosophie und die damit einhergehende Qualität der Weine auch oder wieder in die Flasche bringen kann. Burg Ravensburg und Weingut Heitlinger waren seit 2009 nicht mehr im Regionalverband Baden vertreten. Ebenfalls in 2009 fand die Fusion der beiden Güter zur Heitlinger GmbH statt. Ab 2012 nun sind das Weingut Heitlinger als auch Burg Ravensburg wieder im Klub vertreten – als Heitlinger GmbH.

Keiner der beiden Weingüter zählt zur unmittelbaren Spitze in Baden, geschweige denn in Deutschland. Muss auch nicht sein. Das liest sich sehr hart, aber steht der Wahrheit wohl ziemlich realistisch gegenüber. Burg Ravensburg ist jedoch fraglos zum erweiterten Kreis der besten Badischen Weingüter zu zählen. Meinen es der Besitzer Heinz Heiler und der Geschäftsführer Claus Burmeister ernst mit ihrer Qualitäts- und Investitionsoffensive, so besitzt Burg Ravensburg weiteres Potenzial nach oben. Eine kürzlich stattgefundene Probe auch etwas gereifter Weine überraschte doch sehr. Die Reife hatte den Weinen absolut gut getan, die Balance stimmte einfach.

Weingut Heitlinger braucht da sicher noch ein paar Jahre an Zeit. Es ist schlichtweg deutlich mehr zu tun und dies ist teilweise der Geschichte des Weingutes geschuldet. Die Weinlagen besitzen die Substanz, qualitativ mindestens mit Burg Ravensburg gleichzuziehen. Abwarten und Wein trinken. Was das Ganze etwas ins stocken bringen könnte, sind die massiven Aufgaben, die in den kommenden Jahren vom Gespann Burmeister & Heiler aus dem Weg zu räumen sind. Die Rebfläche nahm, nimmt und wird wohl weiterhin zumindest in kleinen Schritten weiter wachsen. Da ist es eine Sache, dass die vielen Neuanpflanzungen in den definitiv vielversprechenden Weinbergslagen, Zeit brauchen. Jahrelang vergessene Rebstücke mussten wieder zurückerobert werden.

Das nicht schon kleine Weingutsanwesen Heitlinger wird noch erweitert. Eine Erweiterung des Heitlinger Gebäudes steht an und eine Art Weingutshotel soll auch in absehbarer Zeit realisiert werden. Das ist nicht alles, denn ein neuer Keller ist zusätzlich noch in der Planung. Dieser wird sowohl für die Weine von Burg Ravensburg als auch für die des Weingutes Heitlinger genutzt werden. Und da die Betriebe ja ganz normal weiter laufen, ist das ein 24 Stunden bzw. 365 Tage Job wartet, der da auf Geschäftsführer Burmeister wartet. Das ist eben die andere Sache, all das Neue braucht Zeit, nimmt Ressourcen in Anspruch. Dabei darf der parallel laufende Alltag nicht vergessen werden. Da ist es ein großer Spagat, der zu bewältigen ist. Bekommen Heinz Heller und Claus Burmeister zusammen die kommenden Jahre unter den passenden Hut, dann entsteht in Baden ein neuer Big Player. Dieses BIG steht für die Rebfläche und das Gesamtkonzept mit Weingut, Restaurant und Hotel, zumindest was die privaten Weingüter anbetrifft. Treibt Claus Burmeister die weitere Qualitätssteigerung konsequent und zielgerichtet voran, wird dieses BIG auch für die Größe der Weine stehen.

 **********************************************************

Markgraf von Baden

Schloss Staufenberg/Durbach aus der Ortenau, Schloss Salem/Salem am Bodensee und Schloss Rheinburg/Gailingen ebenfalls am Bodensee. Vor lauter Schlösser vergisst man glatt den Wein, aber nur fast.

Von den Dreien ist die Qualität der Weine bei Schloss Staufenberg (mit Abstand zu den anderen) am höchsten einzustufen. Die vor kurzem probierten Weine aller drei Weingüter aus den Jahren 2008 bis 2010, lässt keinen anderen Schluss zu. Die „Staufenberger“ besitzen mit ihren eher kühlen Weinbergslagen unmittelbar um die Burg gelegen, beste Voraussetzungen. Steht man auf Schloss Staufenberg, reicht der Blick weitläufig auf die oft kegelförmigen Weinflächen. Sicherlich eine der beeindruckendsten Weingegenden Deutschlands. In Schönheit sterben? Nein, da ist viel mehr, es sind dazu noch hervorragende Lagen. Die Qualität der Weine über das gesamte Sortiment betrachtet, jedoch reicht an VDP Maßstäbe definitiv nicht heran. Wie der Gault Millau WeinGuide hier 3 Trauben vergeben kann, ist noch unerklärlicher, nicht mal ansatzweise greifbar.

Schloss Salem ist mit 110 Hektar eine flächenmäßige Hausmacht im Bereich Bodensee. Die wichtigsten Einzellagen sind: Chorherrenhalde bei Meersburg, Kirchhalde bei Birnau, Leopoldsberg bei Bermatingen, Sängerhalde bei Markdorf und Schlossberg bei Kirchberg. Der Bodensee beeinflusst spürbar die Weinberge, man kann durchaus von einem Alleinstellungsmerkmal in Deutschland sprechen. Auch hier ist die Grundlage, die Weinbergslagen mit dem dazugehörigen Klima, alles andere als von „schlechten Eltern“.

Schloss Rheinburg ist eine Monopollage im Besitz des Hauses Markgraf von Baden. Sehr lange war das eine „verwaiste Ecke“. Bis dann anfangs 1980 wieder die Rekultivierung mit den Sorten Chardonnay, Spätburgunder & Sauvignon Blanc begann. Die steilen Weinberge sind hauptsächlich nach Süden ausgerichtet und bestehen aus Moränenschotter und sandigem Schwemmlandboden. Was die Lage wirklich kann, weiß niemand, also auch nicht der VDP Baden.

Noch weniger erreichen Schloss Salem und Schloss Rheinburg VDP Niveau. Da sind gute, absolute saubere Weine zu finden, den einen oder anderen sehr guten darunter. Klar. Frisch. Blitzblank. Nur ist es nicht annähernd das, was er erwarten sollte, schneidet der Weintrinker die Kapsel mit dem Adler darauf ab. Hier wiederum trifft der Gault Millau WeinGuide je einer mit einer Traube ins Schwarze. Passt. Der VDP Baden sollte in Sachen Weinqualität schnellstens den Druck auf die Verantwortlichen Weingüter erhöhen, den Qualitätsstandard auf VDP Niveau zu heben. Und nicht nur dem Erhalt historischer Gebäude Tribut zollen, um es mal mit bitterbösem Unterton auszudrücken.

GG. Bauchschmerzen. Alle Weingüter außer Burg Ravensburg sind nicht im Besitz von Großen Gewächsen. Das ist aber das Aushängeschild eines jeden VDP Betriebes. Logischerweise, eine reine Vermutung, werden wohl in absehbarer Zeit neue Große Gewächse Lagen in Baden entstehen. Die sind zweifelsohne vorhanden, schafft man es auch, diese in Flaschen abzufüllen?

**********************************************************

**********************************************************

Interview mit Joachim Heger – Vorsitzender VDP Baden

Herr Heger, wie ist die Aufnahmeprozedur im VDP Baden, vom ersten Schritt bis zur Mitgliedschaft? Die wenigsten werden sich darunter ein Bild machen können.

Der Prozess läuft wie folgt ab:

  • Unabhängige Vorschläge eines jeden Vorstandsmitgliedes, der Vorstand ist zuständig für die Aufnahmeempfehlungen.
  • Bei 2 Übereinstimmungen erfolgt der Vorschlag an die Mitgliederversammlung, ggfls. weitere Diskussionen und weitere Vorschläge durch die Mitgliederversammlung selbst.
  • Abstimmung durch die Mitgliederversammlung
  • Unabhängige Beschaffung (Weinhandel, anonymisierte Bestellung) der Weine und Blindverkostung.
  • Erteilung eines Prüfungsauftrags an die Prüfungskommission durch die Mitgliederversammlung aufgrund des Verkostungsergebnisses
  • Anfrage und Betriebsprüfung bei den Kandidaten durch die Prüfungskommission
  • Abstimmung durch Mitgliederversammlung

*

Wer entscheidet letztendlich wirklich?

Letztendlich entscheidet die regionale Mitgliederversammlung über die Aufnahme durch eine demokratische Mehrheitsentscheidung. Der Bundesvorstand hat allerdings ein Vetorecht.

*

Warum hat der VDP Baden schon etwas gemeldet, was noch von der Bundesversammlung beschlossen werden muss?

Die Bundesversammlung muss die Aufnahme nicht beschließen. Die Region entscheidet über die Aufnahme, wobei der Bundesvorstand ein Vetorecht hat. Die Meldung war ein schlichter Formfehler. Obwohl die Bundessatzung vorsieht, dass der Bundesvorstand ein einjähriges Vetorecht ausüben kann, ist es in der Praxis so, dass der Bundesvorstand während einer Sitzung auf Anfrage der Region sein Veto ausübt oder eben nicht. Bei der Veröffentlichung durch den VDP Baden war der Bundesvorstand noch nicht informiert. Dies wurde aber am 15.12. nachgeholt.

*

Die Pressemeldung hebt stark auf die Erhaltung, Erneuerung und Pflege von Gebäuden und Weinlandschaften ab. Sollte aber nicht die absolute Weinqualität DAS Kriterium für eine Aufnahme sein?

Die absolute Weinqualität ist immer ausschlaggebend für die Aufnahme. Ausschließlich die Weingüter, die am besten bei der Blindverkostung abgeschnitten haben, stehen der Mitgliederversammlung zur Wahl. Diese entscheidet, in der Reihenfolge der Bewertung auch darüber, wie viele der verkosteten Kandidaten entsprechend den Satzungsvorgaben geprüft werden sollen. Die Weingüter des Markgrafen von Baden und die der Weingut Heitlinger GmbH haben sich bei dieser Blindverkostung deutlich von vergleichbaren Weingütern und unter Betracht der Weinqualität von bestehenden VDP-Weingütern des entsprechenden Bereichs durchsetzen können. Insgesamt wurden Weine von 11 Weingütern verkostet.

*

Beim Markgraf von Baden schimmert doch etwas “Politik” mit durch. Ein sehr großer privater Erzeuger, dazu noch ein Adelstitel – 2 gewichtige Gründe. Was sagen sie dazu?

Wie schon erwähnt, die Weine der Weingüter des Markgrafen von Baden haben in den Bereichen Bodensee und Ortenau im Vergleich zu anderen Kandidaten am besten abgeschnitten und kamen deshalb für die Aufnahme in Frage. Die strikte und aufwendig gestaltete Blindverkostung der Weine in Verbindung mit den Satzungsvorgaben lässt hier keinen Spielraum für „Politik“ oder „Eitelkeiten“.

*

Werden Lagen des Markgraf von Baden in nächster Zeit ernannt, um dort Große Gewächse erzeugen zu können?

Die Weingüter verfügen über gute und auch über sehr gute Lagen in Durbach und auch am Bodensee. Sicherlich werden hier in nächster Zeit Flächen zur Erzeugung von GGs angemeldet werden. Die Erzeugung von GGs wird aber erst mit dem Jahrgang 2012 möglich werden. Letztendlich entscheidet aber auch hier, wie bei allen Mitgliedern, neben der Überprüfung der angemeldeten Lagen später das Verkostungsergebnis in der GG-Probe.


  Share  

Comment

No comments available.

zurück zur allen Blog Einträgen