Veitshöchheim - Astrid Baumann hat nichts gegen den Weinbau in Franken, ganz im Gegenteil. Sie klingt nur bisweilen so. „In diesem Sommer gab es zum Glück einen kräftigen Befall durch den Traubenwickler“, sagt die Rebschutzexpertin der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) in Veitshöcheim bei der Rebschutzbesprechung und die Begeisterung lässt sich unschwer heraushören. Denn der Einfall der Motten in die fränkischen Weinberge ermöglichte es ihr, ein neu entwickeltes Simulationsmodell zu testen. Es könnte die Bekämpfung des gefürchteten Schädlings bald bedeutend erleichtern.
Der Traubenwickler ist ein an sich harmloser Nachtfalter. Leider bevorzugen dessen Larven Weintrauben als Kinderstube und können damit große Teile der Ernte vernichten. Das Computerprogramm „TWickler“ berechnet nach der Eingabe von Wetterdaten und der Menge an Motten, die in eigens aufgestellten Fallen gefangen werden, wann der perfekte Zeitpunkt für eine Bekämpfung gekommen ist. Die eingesetzten Mittel sind am wirksamsten, wenn die winzigen Larven, die mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen sind, gerade schlüpfen.
Seit 2011 gibt es eine erste Version des TWicklers. Doch erst in diesem Jahr konnte Baumann genügend Larven in den Weinbergen finden, um das Programm einem wirklichkeitsgetreuen Härtetest zu unterziehen. Der fiel positiv aus. „Jetzt bin ich zuversichtlich, dass das Modell im Großen und Ganzen funktioniert“, sagt Baumann. An einigen Parametern will sie in den nächsten Monaten noch schrauben. Wenn TWickler läuft, will sie das Programm zunächst den Weinbaufachberatern an die Hand geben. Für die Zukunft ist zudem eine vereinfachte Variante angedacht, die sich jederWinzer problemlos als App selbst herunterladen kann.
Die Fortschritte bei TWickler waren nur eines der Themen, die beim Industrietag des Weinbaus zur Sprache kamen. Rund 40 Vertreter der Branche informierten sich über Forschungsprojekte und Versuche des Sachgebiets Rebschutz der Abteilung Weinbau. So laufen etwa Langzeituntersuchungen, wie sich der Echte und der Falsche Mehltauwirksamer bekämpfen lassen. Die beiden Pilzkrankheiten können nach wie vor große Schäden in den Weinbergen anrichten.
Eine weitere Gefahr stellen plötzlich auftretende Spätfröste im Frühjahr dar. Um die Reben zu schützen, sind mittlerweile eine Vielzahl an Schutzmaßnahmen entwickelt worden. Die Mitarbeiter der LWG vergleichen diese systematisch. Markus Müller stellte den anwesenden Industrievertretern etwa die Behandlung der Knospen mit Pflanzenöl vor. Das Öl verzögert das Aufgehen der Knospen um mehrere Tage und kann in diesem Zeitraum Frostschäden verhindern. Je nach Terrain sind aber auch andere Verfahren wie Windmaschinen zur Luftverwirbelung, Heizkerzen und Heizdrähte oder Beregnungsverfahren sinnvoll.
Auf der Suche nach der besten Methode blicken die LWG-Experten auch über den fränkischen und deutschen Tellerrand hinaus. Hierzulande gänzlich unbekannt ist etwa ein Verwirbelungsgerät, das auf einem Anhänger direkt in den Weinberg gefahren werden kann. Mit Hilfe eines mächtigen horizontal liegenden Rotors wird Kaltluft vom Boden angesaugt und in obere Luftschichten geblasen. Nachdem der Kauf einer sogenannten „Selective Inverted Sink“ aus Kalifornien scheiterte, wird die LWG nun wohl ein Gerät aus Spanien erwerben. 2014 wird es wahrscheinlich erste Ergebnisse geben. (lwg)
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