Hand aufs Herz! Was würden Sie unter dem Bergriff «Grand Fine Champagne» verstehen? Am einfachsten: ein grosser feiner Champagner. Doch die Flasche die ich im Rahmen eines Kellerkaufes erwarb hat nicht die Form eines Champagners und es waren auch keine Bläschen im grünlichen Glas festzustellen. Was könnte es wohl sein, wenn dann auf dem Etikett noch Chevillot, Proprietaire à Beaune (Côte d'Or) drauf steht. Ein Burgunder? Doch da müsste die Flasche eigentlich bauchig sein und nicht à la Bordelaise?
Ich stehe im Keller von einem guten Freund irgendwo in der Nähe von Bern. Mein Freund weiss, was ihm schmeckt. «Momentan verrecke ich fast wegen dem 1996 Château Calon-Ségur aus St. Estèphe». Vielleicht noch ein paar 1995er Bordeaux. Ja Bordeaux sowieso, am liebsten etwa ein Dutzend Jahre alt oder jünger. Aber nicht älter. Und nur Bordeaux - sicher keine Burgunder. Er hätte kürzlich bei einem Kollegen einen ganz grossen Keller gekauft und bereits schon alles wieder verkauft oder in seinen Keller getragen was er davon mochte. Und jetzt muss er nur noch dieses alte Zeugs los werden. Und Gabriel wäre sicherlich ein möglicher «Wein-Erwerbs-Restposten-Kandidat».
Ich schaue mir die alten Burgunder an. Gute Produzenten, schöne alte Jahrgänge, die ich für meine Raritätenproben gebrauchen kann. So zum Beispiel: 1919, 1928, 1934, 1947 etc.
Die Füllniveaus sind erstaunlich hoch - also wenig Schwund in den Flaschen - was auf einen guten Keller hinweist.
Ich versuche auf eine Pauschale hin zu arbeiten, weiss aber noch nicht, wie viele Flaschen ich dann kaufen würde. Der Verkäufer ist an der Ware desinteressiert, also passe ich mich im Einkaufsgespräch dieser Stimmung an und wir pegeln uns bei einem Flaschenpreis von 30 Franken ein. In einer Ecke, sehe ich dann zwei Flaschen mit dem Jahrgang 1865! Dort drauf steht Grands Vins de Bourgogne - Grande Fine Champagne. Ich kombiniere blitzschnell. Aus meiner Lehrzeit kenne ich ja noch die Qualitätsabstufungen beim Cognac. Petit Bois, Grand Bois, Petit Champagne, Fine Champagne und Grande Champagne.
«Und diese zwei da?», frage ich vorsichtig. «Ach das ist weisser Burgunder, die Flaschen sind kaputt. Wenn Du diese willst, dann schenke ich Dir diese dazu!».
Bevor er sich es anders überlegen kann, lege ich diese Raritäten vorsichtig in ein 2er Holzkistchen zu den anderen, bereits gekauften Weinen. Es sind am Schluss etwa 30 Flaschen und der Gesamtbetrag - zusammen mit einer Flasche Ducru-Beaucaillou 1961 und einer Flasche Château Ausone 1949, beläuft sich total auf 1120 Franken. Der Deal ist gemacht und beide Kontrahenden dieses Deals sind glücklich.
Es ist kurz vor zwölf Uhr Mittags, als ich mich verabschieden will. Nein - ich dürfe noch nicht gehen. Ein Kollege käme noch und er hätte noch etwas Wein für uns vorbereitet und kaltes Fleisch und frisches Brot eingekauft. So gehen wir nach oben. Auf dem Tisch steht links ein 1997 Chevalier-Montrachet und rechts ein 1983 Château Margaux. Es wird eine gemütliche Stunde mit diesen besonders feinen Weinen und ich fahre nach Hause und kann es kaum erwarten, dass ich nach dem Nachtessen diese ganz alte Cognac Flasche vom Jahrgang 1865 entkorken kann. Wie er schmeckte, verrate ich am Schluss dieses Geschichtleins. Eines vorweg - er war genial. Also war es doch insgesamt ein «sehr fairer Deal» - oder?
1865 Grande Fine Champagne Chevillot. Zwar als Grand Vins de Bourgogne auf dem Etikett angepriesen. Aber es befand sich ein veritabler, ganz grossen Cognac darin. Die Farbe dunkelgelb mit rotgolden und bernsteingrünen Reflexen darin. Das Bouquet abgeklärt, weich und anmutig, mit Strohnoten, Curcumaschimmer, Rosinentönen und noblem Branntweinton, dezent süssliches Holz noch dahinter. Im Gaumen samtig, weich, mit viel saft und völlig intakt, die Balance ist sehr elegant und der mehr als 130järhige Cognac klingt minutenlang nach. Hat nicht nur mir, sondern auch vielen meiner Freunde sehr viel, andächtige Genussfreude bereitet. 20/20
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