ÖNOLOGISCHES DONNER-WETTER ZUM RENTENBEGINN

Gabriel_profil_icon de Rene GabrielPremium_small, le 23. février 2010 10:06

Grosszügige, soeben pensionierte Gastgeber erkennt man daran, dass diese bereit sind, mit guten Freunden die ersten paar AHV-Renten zu verprassen. So geschehen in Baden am Theaterplatz. Nomen es Omen, denn was die männrige Tischrunde am 65igsten Geburtstag von Weinfreund Heinz Wetter erleben durfte, war mehr als ein Weintheater, eher schon eine veritable Aufführung in mehren Akten. Vielen Akten, fast schon zu vielen Akten...

Vielleicht hatte aber der Jubilar bereits ein gewisses (und dann leider auch stattgefundenes Korkenrisko..) bei der Planung mit eingerechnet, sodass es für jeden Gratulanten just zu einem anständigen Damenrausch reichte. Und wenn auch im Hintergrund sich der junge Toggenburger-Simi Olympiagold ersprang, meine ganz persönliche Goldmedaille geht an Heinz Wetter, für den grosszügigsten Gastgeber unter den Frührentnern.

Als Vorbereitung für die önologische Semi-Narkose diente der nicht gerade besonders leichte, aber dafür extrem rare weisse 2005 Grange des Pères (19/20). Und wer glaubte, dass als zweiter Weisswein etwas Leichteres ins Glas gelangen würde, täuschte sich positiv. 1970 Le Montrâchet Domaine de la Romanée Conti. Die erste Flasche mit mittlerer Schulter vom Geschmack her, gelb wie ein hoch reifer Sennenanken. Die zweite perfekt; leicht seifig mit prallreifen Mirabellen- und Kamilletouch und einer sublimen, langen Fetthülle ummantelt. (19/20).

Am Tisch folgte dann eine erste Ouvertüre: 2004 Pinot Noir Gantenbein, hochfein und elegant. (19/20). Da zeigte sich der 2005 Pinot Noir Tête de Cru, Staatskellerei Zürich ziemlich charaktervoll daneben und im Moment etwas zurückhaltender (18/20). Der 1990 Merlot Sassi Grossi war früher wohl besser und die Diskussionsmeinungen schwankten zwischen «kaputt» und «Zapfen», was dann den Braten auch nicht mehr fett machte.

Apropos Braten, respektive Essen. Betreut wurde die Gästeschar von der charmanten Meta, die perfekt einschenkte und die vielen Teller einsetzte und den immer forscher werdenden Männerblicken souverän stand hielt. Und in der Küche kochte Harry Pfändler helvetisch-grossmütterlich ein währschaftes und doch königliches Essen wie man es sich sonst in seinem Restaurant Bären in Birmenstorf gewohnt ist. Ich bekam sogar die doppelte Portion Fleischvögel.

Dann folgte für mich der absolute Höhepunkt des Abends. Grosse Burgunder sind halt irgendwie immer um Nuancen grösser als grosse Bordeaux. Vielleicht, weil man es auch viel seltener so eindrücklich erfährt. Ich kann mich nicht erinnern schon einmal im Leben zu vor gleich drei Musigny's auf einen Schlag neben einander erlebt zu haben. 1993 Musigny Leroy; ziemlich hart, einerseits Nasenreif und trotzdem Gaumenjung. (17/20). 1998 Musigny Jacques Prieur: Der barocke, tiefe Typ mit Beerentrüffelgemisch. (19/20). Und die unsterbliche Perfektion zeigend; 1999 Musigny V.V. von Comte de Vogue. (20/20). Hier folgt demnächst noch eine detailierte Story dazu im WeinWisser.

Etwas zu reif mit portigem Luffton; 1994 Monte Bello Ridge. (17/20). Als Trost stand die luxuriöse Napa-Beauty 2000 Harlan daneben. (18/20).

Als nächstes standen die wohl besten Toskana-Merlots in einer Reihe: Der mächtige, fast überkonzentrierte 2001 Masetto. (20/20). Das ist einer der wenigen Weine die eigentlich nicht vom Weinhandel, sondern vom Drogenhandel den Besitzer wechselt. Der schon fast klassisch, nach grossem St. Emilion anmutende 2001 L'Apparita von Castello die Ama folgte im zweiten Glas. (19/20). Und dann kam der erst heuige, dann bullige Pflaumen-Vanille-Schokorhumtopf der dann an der Luft doch noch etwas klassischer wurde. Aber das Handicap bestand wohl darin, dass der 2004 Redigaffi von Tua Rita halt drei Jahre jünger am Tisch war als die beiden etwas reiferen Konkurrenten. (19/20).

Bevor es zum Bordeaux ging liess Heinz Wetter die spanische Sonne im Glas scheinen. Eine echte Überraschung, weil nicht auf diesem Niveau erwartet; 1994 Pesquera Gran Reserva. (18/20). Und - wie erwartet - gross der Vega Sicilia Reserva Especial. Wie der andere Premiumwein aus dem gleichen Hause - pardon Bodega - heisst dieser auch UNICO. Doch die Reserva Especial wird jeweils mit einem Blend von drei verschiedenen Jahrgängen lanciert. Also immer genau auf die Etikette achten. Hier fanden sich die Cosecha's 1990, 1994 und 1996 in der Assemblage. (19/20).

Zwei grosse Rhôneweine folgten. Eigentlich wären es drei gewesen doch der Cuvée Cathéline von Chave korkte. Ausgerechnet dieses, fast unauffindbare Cuvée! Der müsste nämlich ganz gewaltig gewesen sein, denn im Glas eins präsentierte sich der «normale» 2000 Hermitage Jean Louis Chave mit unendlich vielen Finessen und einem delikaten Syrah-Parfüm. (19/20). Noch feiner eine grosse Tänzerin die noch weiter südlich heranwuchs. 2000 Châteauneuf-du-Pape Vieilles Vignes Domaine Marcoux; hier hätte man stundenlang nur schon am berauschenden Kräuter-Malzbouquet riechen können. (19/20).

Trilogie Bordeaux 1989: Der perfekte und burgundische 1989 Palmer (20/20). Mit viel roten Pflaumen, Dörrfrüchten und guter Würze durchsetzte 1989 Margaux (18/20) und der bombige, erschlagende 1989 La Mission. (20/20).

Irgendwie habe ich das Gefühl, dass fast alle Bordeaux des Jahrganges 1990 ausgetrunken werden sollten. Zu gross der Ertrag, zu wenig rigoros die Selektionen. Das rächt sich jetzt nach 20 Jahren Flaschenreife. Und so glaube ich, dass nicht wenige dieser wunderschönen Weine noch vor wenigen Jahren halt noch etwas wunderschöner waren. Hoch reif und definitiv zum Austrinken; 1990 Latour (17/20). Aber das behaupte ich ja schon lange. Just am Beginn einer noch mittellangen Genussreife; 1990 Léoville Las-Cases (18/20). Und ganz sicher auf dem Peak, der 1990 Margaux der schon mehr in der Nase zeigt, als er dann im Gaumen halten kann. Also immer länger riechen wie trinken. Auch hier - gejammert auf hohem Niveau. 19/20.

Auf jeden Topf gehört ein Deckel. Und nach so vielen tollen Weinen sind meist die Gaumen etwas abgestumpft und die Wahrnehmung - nobel ausgedrückt - etwas redimensioniert bis handicapiert. Also hilft nur noch die Medizin einer Down-Under-Granaten-Parade. Konsequenterweise gleich drei Mal Grange. Der beste für mich im linken Glas; 1991 Penfolds Grange (19/20). Wesentlich leichter; 1995 Penfolds Grange (17/20) und dann wieder etwas fleischiger, aber doch nicht ganz die grosse Klasse vom 91er erreichend; 1996 Penfolds Grange den ich mit 18/20 bewertete.

Als ich mit dem Zug nach Hause fuhr, war es heiss und laut im Abteil. Heiss, weil der Heizungsregler ganz rechts im roten Bereich stand. Und laut, weil ein Jägerquartett von irgend einer Versammlung nach Hause unter Absingen unter eines mir unbekannten Hallali-Repertoires sich lautsark ein gewisses Aufsehen verschaffte. Ich nahm an, dass sich diese vier demonstrativ fröhlichen Hubertusbrüder wohl alkoholmässig auf dem gleichen Niveau befanden wie ich selbst. Trotzdem schien ich irgendwie glücklicher zu sein als die grün angezogenen Mannen. Es kommt halt schon ein Bisschen drauf an, was man trinkt...

 


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