www.weinmarketing.rlp.de : Winzerprojekte für den LEH – Der Königsweg für den Fassweinmarkt?

Sigi_hiss_kopf_lachend_icon de Sigi HissPremium_small, le 22. juillet 2011 07:49

Autoren: Torsten Klein und Bernd Wechsler

Die Individualisierung des Konsums und des Lebensstils ist ein Megatrend der Gesellschaft. Viele Verbraucher suchen heute in einem schier unüberschaubaren Sortiment Produkte mit Charakter und der „persönlichen Note“. (Bsp.: Die „Mein Burger“-Kampagne des Fastfood-Riesen McDonalds). Das Angebot von der Stange verkauft sich allenfalls noch über den Preis, gefragt sind authentische und einzigartige Produkte, die dem Konsumenten einen emotionalen Mehrwert bieten.

Deshalb ist die Personifizierung und Individualisierung von Produkten heute ein wichtiges und gängiges Marketinginstrument. Dieser Trend ist seit einigen Jahren auch bei Weinen für den Handel festzustellen. Im LEH waren Weingutsweine früher eher die Ausnahme als der Regelfall. Der Großteil des Sortiments wird sicher auch heute noch von Kellereien und Genossenschaften gestellt. In den letzten Jahren aber haben es „Projektweine“ von Winzern sogar bis in die Regale der großen Discounter geschafft. Einzelne Winzer oder Winzergruppen geben dem Wein das „menschliche Gesicht“ und so eine positive Abgrenzung gegenüber den anonymen Produkten im Weinregal.

Die Qualitätsprojekte von WQM waren in der Vergangenheit vor allem Projekte zwischen Erzeugergemeinschaften und vermarktenden Wein- oder Sektkellereien. Im Mittelpunkt stand die sensorische und analytische Weinqualität  durch die Steuerung der weinbaulichen und kellerwirtschaftlichen Maßnahmen. In der Vermarktung leisteten die WQM-Projektweine allenfalls einen Beitrag zur inneren Qualität eines Markenproduktes, wie Fürst Metternich Riesling Sekt. Die Winzergemeinschaft oder der Beratungsring WQM selbst stand nicht im Fokus der Marketingverantwortlichen von Kellereien. Allzu häufig blieben die Produkte austauschbar und letztlich namenlos. Das Wertschöpfungspotenzial durch eine Personifizierung des Produktes blieb ungenutzt.

Nähert man sich dieser Thematik, ist es hilfreich, sich die aktuelle Situation auf dem Weinmarkt aus rheinhessischer Sicht zu betrachten. So wurden in 2010 rund 76% der Anstellungen zur Qualitätsweinprüfung von Kellereien bestritten. Dies entspricht einem Volumen von 1,59 Mio. hl und bedeutet einen Rückgang von 250.000 hl seit 2007. Weingüter liegen mit 21% der Anstellung bzw. 0,43 Mio. hl stabil; Genossenschaften stellen 3% der Anstellungen und legen mit gesamt 0,6 Mio. hl in der Menge leicht zu.

Aber in welchem Verhältnis stehen diese Zahlen zum Thema Winzerprojekte für den LEH? Gerade die Entwicklung im Weißweinsegment zeigt, dass Rheinhessen im knallharten und anonymen Fassweinmarkt höchst austauschbar ist. Zudem sind die Absatzmengen im Export (Liebfauenmilch etc.), in den bislang große Mengen rheinhessischen Weins flossen, rückläufig. Winzerprojekte bieten hier einen interessanten Lösungsansatz, der noch nicht ausreichend am Markt umgesetzt wird.

 

Beispiel 1: Edition Fritz Keller (ALDI Süd)Pionier auf diesem Gebiet ist sicherlich Fritz Keller aus Baden. Als bekannter VdP-Winzer und Gastronom steht er mit seinem Namen für ein Projekt bei Aldi Süd, welches einen Spätburgunder Rotwein und einen Weißburgunder umfasst und zwischenzeitlich noch um einen Spätburgunder Rosé ergänzt wurde. Die Weine stehen für 5,99 € (Rot- u. Weißwein) bzw. 4,99 € (Rosé) im Regal und liegen damit deutlich über dem durchschnittlichen Preisniveau im Handel (2010 laut GfK: 1,93 €/0,75 l). Ausgebaut wird im Badischen Winzerkeller Breisach. Für die über 400 Winzer gelten strikte Produktionsvorgaben (z.B. Entblätterung der Traubenzone, Traubenhalbierung Ertragsbegrenzung auf 64 hl/ha). Die Weinberge werden während der Vegetation zweimal kontrolliert. Im Gegenzug erhält der Winzer eine deutlich höhere Vergütung seiner Trauben. Das Projekt umfasst eine Rebfläche von mehreren hundert Hektar. Die Weine verfügen über eine sehr gute Struktur, sind deutlich trocken ausgebaut und zeigen auch Ecken und Kanten. Der Konsument erhält einen Wein mit einem ausgesprochen guten Preis-Genuss-Verhältnis.
Beispiel 2: Exklusivedition „Steitz & Beck“ (REWE)Ein weiteres Projekt ist erst seit Frühjahr 2011 auf dem Markt. Dabei handelt es sich um einen Grauburgunder aus Rheinhessen hinter dem Christian Steitz aus Stein-Bockenheim und Michael Beck aus Stadcken-Elsheim stehen. In Gestaltung (Fingerabdrücke und Bilder der Winzer) und Präsentation (z.B. Internet mit Photos) der Edition Steitz & Beck schafft die REWE den Grauburgunder aus Rheinhessen eindeutig als Winzerwein zu positionieren. Die Weinberge für dieses Projekt wurden durch den Beratungsring WQM betreut. Durch entsprechende Qualitätsmaßnahmen konnten auch im anspruchsvollen Jahr 2010 überzeugende Traubenqualitäten zur Produktion dieses Wein erzielt werden. Das Ergebnis ist ein sensorisch makelloser Grauburgunder, der zum Preis von 4,99 €/0,75 l vermarktet wird.
Beispiel 3: Fritz MüllerWie man aus einer als Massenträger verschrienen Rebsorte wie Müller-Thurgau und dem als wenig attraktiv empfundenen Begriff „Perlwein“ dennoch Erfolg haben kann, zeigt das Projekt des Winzers Jürgen Hofmann aus Appenheim mit dem Weinhändler Guido Walter aus München. Unter dem Namen „Fritz Müller“, einem Wortspiel aus Frizzante und Müller-Thurgau, lancieren beide sehr erfolgreich über den Fachhandel einen Perlwein für den unkomplizierten Genuss.Auch wenn mit dem Namen „Fritz Müller“ entgegen der vorangegangenen Beispiele keine direkte natürliche Person verbunden ist, so besteht in der Produktkommunikation doch eine deutliche Verbindung zu beiden Verantwortlichen. Dieses Projekt zeigt, dass auch Winzer die Möglichkeit haben, eine starke (Wein-)Marke zu entwickeln und mit hoher Qualität sowie einem zielgruppenorientierten Design und Kommunikation erfolgreich am Markt agieren können.
FazitDie Frage, ob Winzerprojekte im Lebensmitteleinzelhandel innovative Lösungsansätze für den anonymen Fassweinmarkt darstellen, lässt sich sicher mit einem „Ja“ beantworten. Ob sie einen Königsweg darstellen wird die Zukunft zeigen, sie lassen sich sicher nicht auf den gesamten Fassweinmarkt übertragen. Gleichwohl zeigen viele Beispiele, dass es Winzern mit Unterstützung von Qualitätsmanagementsystemen gelingt, im LEH Fuß zu fassen und durch innovative Konzepte Aufsehen zu erregen.Die Beispiele zeigen, dass vor allem im Premiumbereich mit Winzerprojekten Mehrwertpotenziale erschlossen werden können. Voraussetzungen sind hierbei z. Z. attraktive Rebsorten wie z. B. die Burgunderfamilie, Riesling oder Sauvignon blanc. Wobei das Qualitätspotential dieser Rebsorten durch ein stringentes Qualitätsmanagement im Weinberg voll ausgeschöpft werden muss. Hier kann der Beratungsring WQM am DLR in Oppenheim Hilfestellung leisten.Für eine authentische Kommunikation bedarf es einer starken Persönlichkeit, die einen direkten Bezug zum Weinbau und/oder dem Produkt selbst besitzt. Winzerprojekte müssen darüber hinaus auch innovativ und zielgruppengerichtet sein sowie eine griffige (und wahre!) „Geschichte“ erzählen (s. „Fritz Müller“).Ein weiterer wichtiger Punkt zum Gelingen solcher Projekte ist eine kontinuierliche Marktbeschickung. Der spekulative Fassweinmarkt Rheinhessens, so wie er derzeit sowohl seitens Erzeuger als auch von Abnehmerseite betrieben wird, ist reinstes Gift hierfür!Sind die oben genannten Voraussetzungen gegeben, können sich diese Projekte deutlich über dem Niedrigpreissegment positionieren und somit auch für Rheinhessen eine Chance bedeuten, eine Verbesserung der Vermarktungschancen im LEH aber auch Fachhandel zu erzielen.

 

Autoren: Torsten Klein und Bernd Wechsler


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