Für griechische Winzer ist das Glas halbvoll

Nadia_schmidli_icon de Nadia SchmidliPremium_small, le 27. mars 2012 06:02

Griechischer Wein und die altvertrauten Sorgen – es braucht nicht viel, um selbst Udo Jürgens Schlager mit der Krise an der Ägais zu verbinden. Auch die Winzer hat’s erwischt – aber die bleiben taff.

Allgegenwärtig soll die Schuldenkrise in Griechenland sein. Wer abends auf den Bürgersteigen vor den Lokalen die üppig gedeckten Tische sieht, könnte sich fragen, wie das mit der Krise zu verbinden ist. Wer länger hinschaut, wird eine Veränderung beobachten. Zwischen Oliven und Tsatsiki fehlt seit einer Weile der exquisite Wein. Viele Griechen verzichten in der Krise auf das edle Getränk – zum Leid der Winzer.

Den Hellenen verdirbt der Blick ins Portemonnaie die Lust auf Wein – zumindest auf den guten. Vor der Krise verkauften griechische Kellereien noch rund 90 Prozent ihres Weins im eigenen Land. Jetzt müssen sie sich im Ausland nach Weinliebhabern umsehen. Sie brauchen dringend Käufer.

«Keine Frage, der Weinabsatz in der Restaurantbranche hier vor Ort ist eingebrochen», sagt Constantine Stergides. Die Organisatorin der griechischen Weinhandelsmesse Oenorama erzählt von vielen Weinkellereien, die schon seit Monaten um Geld kämpfen müssen, das ihnen Händler noch schulden. Die Flaute kommt ungelegen. «In den letzten zehn Jahren gab es eine regelrechte Revolution bei der Qualität der Weine – die über die des Retsina deutlich hinausgeht.» Retsina ist der berühmte griechische Weißwein, günstig und mit Harz versetzt. Die Griechen tranken ihn schon in der Antike – gewissermaßen das Maskottchen der Branche.

Als moderne Flaggschiffe der griechischen Weinwelt gelten heute andere. Zu den vier bekanntesten zählen der trockene, weiße Assyrtiko von der Vulkaninsel Santorini, der weiße Moschofilero aus der Region Mantinia im Norden der Peloponnes, der trockene rote Xinomavro aus Naoussa und Amynteo im Norwesten des Landes und der rote Agiorgitiko aus der Nemea-Region.

Um der Krise zu entkommen, setzt das Weingut La Tour Melas im Zentrum Griechenlands auf Export. Besitzer Kyros Melas hat das Gut in der Nähe des Dörfchens Echinos von seinem Großvater. Der hatte es 1962 gekauft. Seitdem importierte es französische Reben. Ab jetzt muss es anders laufen: 60 Prozent seiner Ware will er in diesem Jahr ins Ausland verkaufen. Sein Rotwein ist eine Mischung aus Merlot, Cabernet Franc und Petit Verdot. «Griechenland hat sein Retsina-Image endgültig abgestreift, und Qualität ist auch das Einzige, was Griechenland aus der Finanzkrise herausholen kann», sagt Melas. Dass viele der kleineren griechischen Güter es mit französischen und italienischen Weinen problemlos aufnehmen können, steht für ihn außer Frage.

Der Winzer ist überzeugt davon, dass Griechenland die Krise überwinden könnte, wenn es sich auf den Export qualitativ hochwertiger landwirtschaftlicher Produkte wie Wein spezialisiert. Griechische Winzer haben den Vorteil des hervorragenden Wetters und des hohen Ertrags.

Wie Melas denken offenbar viele: Laut der National Organisation for Vine and Wine wird Griechenland in diesem Jahr drei Millionen Hektoliter Wein produzieren und im Vergleich zu 2011 den Export um 10 Prozent steigern. «Die Weinhändler exportieren hauptsächlich nach Deutschland, Frankreich, Kanada und in die Vereinigten Staaten, wollen aber auch ihre Ausfuhren nach China und in andere neue Märkte erhöhen», sagt die Direktorin des Verbands, Maria Triatafylou.

Mehr als die Hälfte seiner Weine verkauft der griechische Weinhandels-Gigant Tsantali inzwischen ins Ausland. Zu den bekanntesten Weinen der Firma zählen die Marken aus den Regionen Chalkidiki oder Thrakien sowie aus den Gebirgen Olymp oder Athos. Der Wein Kormilitsa Gold aus den Weinbergen von Athos ist sogar der offizielle Wein des Moskauer Kreml.

Neben Exporten nach Europa, Russland, Kanada und Brasilien hat Tsantali seine Präsens im asiatischen Markt verstärkt. Bis 2015 sollen dort 250 Filialen eröffnet werden. «Die Krise hat die Weinindustrie hart getroffen, also mussten wir eine neue Export-Strategie aufstellen und neue Ziele definieren, sonst überlebt man das nicht. Wer das nicht früh genug erkannt hat, wird jetzt Schwierigkeiten bekommen, weil der Inlandsverkauf zurückgegangen ist», sagt Tsantalis Vertriebschefin Lily Dimitriou.

Viele griechische Restaurants haben ihre teureren Weine derweil von der Karte genommen, die heimische Nachfrage nach günstigen Massenweinen steigt. Wird es den guten griechischen Wein dann bald nur noch im Ausland geben? Nein, sagen die Händler. Das Weinhandelshaus Boutaris zum Beispiel ändert seine Strategie: Von ihren mehr als 40 Weinen ist keiner günstiger als 14 Euro. Seit neuestem hat die Firma auch einen 6-Euro-Wein im Sortiment. Aber auch die Restaurants müssten handeln, sagt Elli Tsimbidi, Vertriebsleiterin des Weinhandels Monemvasia: «Restaurants verkaufen zum Beispiel eine 5-Euro-Flasche oft für 12 Euro. Aber das ist falsch. Wir wollen, dass die Menschen sich eine gute Flasche Wein aus der Region leisten können und sich beim Abendessen daran erfreuen.» (dpa)


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