2011er Jahrgangsbericht von Professor Denis Dubourdieu / freie Übersetzung von Sigi Hiss.
Was waren 2011 die bestimmenden Faktoren, mit denen die Châteaux umzugehen hatten? Eines zieht sich wie ein roter Faden durch 2011: wenig war normal. Kopfschütteln, Stirnrunzeln, sorgenvolle Mienen und Verwunderung über den Verlauf des Vegetationsjahres.
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Das Wetter, nicht die Schöne, sondern das Biest
Es begann mit einem relativ milden Winter, trotzdem der Dezember sehr kalt war. Normale Temperaturen im Januar mit leicht erhöhten durchschnittlichen Werten im Februar. Was aber einen sehr nachhaltigen Einfluss haben sollte, war die ausgesprochene Trockenheit der Wintermonate. Dass der März ebenfalls im Durchschnitt trockener und wärmer war, verstärkte den trockenen Winter noch.
Der Austrieb erfolgte in den letzten Märztagen und ab dann herrschte eher Sommer als Frühling. Im April war es extrem heiß, trocken und sonnig. Laut Statistik der 2. heißeste April seit 1900. Bis zu 30°C, fehlender Regen (nur 10% des normalen Regenfalls) – muss man von Dürreperioden sprechen.
Im Sauternes hagelte es mächtig, Schäden auf ca. 500 Hektar war die Folge. Anfangs Mai hagelte es auch im Podensac, Entre-Deux-Mers und Blaye Gebiet. Hitze und Trockenheit ließen im Mai nicht nach. 25°C war das durchschnittliche Maximum – 4,5°C höher als normal. Niederschlag zwischen 5-10 mm, nur 1945 mit gar keinem Niederschlag war noch trockener. Die Vegetation drückte auf die Tube und die Blüte setzte am 10. Mai ein und war schon um den 20. Mai beendet (15 Tage früher).
Der Juni, ebenfalls wärmer als Normal, blieb trocken und war nicht so heiß wie 2009 oder 2005. Die Vegetation verlangsamte sich aufgrund des einsetzenden Trockenstresses. Fazit bis dahin: Schon mal zwei Voraussetzungen für einen guten Rotweinjahrgang waren gegeben – die schnelle und frühe Blüte verbunden mit etwas Trockenstress um die Zeit des Fruchtansatzes herum.
Aber! Die anhaltende Dürreperiode, speziell auf den wasserdurchlässigen Kiesböden bereitete massive Sorgen. Wie würden die Reben die Sommerhitze überstehen? 2003, die Zweite?
Ein Phänomen passte in den kuriosen Wetterverlauf. Am 26. /27. Juni stieg das Thermometer bis auf 40°C. Ganze Trauben oder Teile davon die direkt der Sonne ausgesetzt waren, waren buchstäblich verbannt. Cabernet Sauvignon, der auf den trockensten Böden stand, büßte dadurch bis zu 20% ein. Diese Trauben mussten spätestens bei der grünen Lese entfernt werden. Warum? Deren Farbumschlag war stark unterschiedlich. Interessanterweise hat der Merlot diese Dürrephasen besser überstanden, obwohl er dafür anfälliger ist als der Cabernet Sauvignon. Die größeren, mehr Schatten spendenden Blätter des Merlot, könnten eine mögliche Erklärung für dieses unübliche Phänomen sein.
Die Véraison (Farbumschlag/Reife) begann früh am 10. Juli, verbunden mit großem Trockenstress der Reben. In einem normalen Jahr im Bordelais hat man einen recht feuchten Winter/Frühling – ein weiteres Merkmal für große Jahrgänge. Nur fehlte der, um die Wasserreservoirs der Böden aufzufüllen. Bildlich ausgedrückt: Die Wasserflasche war schon leer, bevor der lange Marsch durch die Wüste begann. Anfang Juli hatte man 30°C, der Rest war weniger heiß, unter den Temperaturen von 2009/2010. Die Sonnenstunden lagen bei 200, 2010 waren es 281, 2009 waren es 271 (Ø 1971-2001 mit 241 Std.). Pessac-Léognan, Graves und Sauternes bekamen mehr Regen als Medoc und Saint Emilion.
Besonders dem Merlot auf den trockensten Kies- und Sandböden machte der Trockenstress zu schaffen. Verstärkt den (durch die Dürre) entblätterten jungen Reben, die das Wachstum komplett einstellten. Jene im Juni verbrannten Trauben reiften extrem uneinheitlich, grüne und pinkfarbene Beeren mussten unter allen Umständen rausgeschnitten werden.
Der August etwas wärmer aber auch feuchter (besonders Anfang & Ende des Monats) als im Durchschnitt. Der Niederschlag war mit 80 mm recht hoch, verglichen mit den 17 mm in 2010, 24 mm in 2009 und durschnittlichen 60 mm in der Periode von 1971 – 2001. Allerdings kamen die Gewitter anfangs August zu spät für die jungen Rebanlagen. Wie schon erwähnt hatten diese Probleme auszureifen. Auf den tiefen, sandigen und eher schlammigen Böden aber schwelten besonders die Beeren vom Merlot stark an und es setzte eine Art Verdünnung des Beerensaftes ein.
Der September war heiß und trocken. Ein Hagelsturm am 1. September verursachte Schäden in Teilen von Saint Estephe. 80 mm Niederschlag. Schwarzer Donnerstag. Der restliche September war trocken. Die Ernte fokussierte sich logischerweise zuerst auf den Merlot. Somit war ein weiterer wichtiger Punkt für Topqualitäten, volles Ausreifen der verschiedenen Sorten durch trockenen August und September ohne extreme Hitze, nur stellenweise gegeben.
Die Ernte der Trauben für trockene Weißweine begann am 17. August und war Anfang September beendet. Zwei Wochen früher als normal, begründet sowohl auf der frühen Blüte als auch des frühen Farbumschlages der Beeren. Der feuchte August förderte Botrytis cinerea, man musste deshalb sehr sorgfältig selektieren. Die 2011er Moste waren leicht höher im Zucker und in der Säure aber niedriger im ph als 2010 oder 2009. Normalerweise sind Weißweine aus kühlen Jahren vibrierend mit gut integrierter prägnanter Säure. Hingegen in heißen Jahren wie 2003, fehlt die Säure als auch die Aromatik lässt zu wünschen übrig. Das Kuriose in 2011 ist deshalb , dass die Reife eher dem warmen bis heißen Frühling zuzuschreiben ist, als dem Sommer, der ja eher kühl und relativ feucht war. Und genau diese kühle Reifeperiode im Sommer bewahrte die Säure in den Beeren und brachte eine klare und reine Aromatik mit sich. Sauvignon Blanc als auch Semillon brachten auf den optimalen Böden (Kalkgestein & Lehm/Ton/Mergel) diese Stilistik zum Ausdruck.
Die Merlot Ernte begann am 5. September, der Cabernet Sauvignon startete am 12. September. Das warme und trockene Wetter stoppte die weitere Ausbreitung der Graufäule. Die letzten Cabernets wurden Anfang Oktober eingebracht. Kleine Beeren mit sehr hoher Konzentration an Anthocyaninen. Eine allgemeine Aussage über den Zucker- und Säuregehalt ist schwierig war, denn diese Daten hingen stark vom Lesezeitpunkt ab. Der Zuckergehalt war bei den Cabernets wie in 2010 und eine Spur höher als in 2009, die Säure wiederum variierte sehr stark. Beim Merlot war die Säure etwas höher als in 2009 aber in etwas gleich wie in 2010.
„Hang Time“. Die Ende September bzw. Anfang Oktober gelesenen Cabernets wurden also erst 70 Tage nach der mid Véraison geerntet. Für die neue Welt normal, im Bordelais war es das erste Mal. Der Geschmack der Beeren war maßgebend. Beispielsweise schmeckte der Merlot von Kalkstein- oder Lehm/Tonböden hervorragend, jene von Kiesböden kamen nie auf dieses Niveau. Lesegut von sandigen Böden war regelrecht enttäuschend. Die meisten Cabernets von Kies- oder Lehm/Kiesböden schmeckten klasse. Petit Verdot in guter Verfassung aber nie außergewöhnlich.
Sauternes. Los ging es in den letzten Augusttagen, in der Mitte des Monats erfolgte zuvor aber eine Art Reinigungsdurchgang. Auf den leichteren Böden war Sauerfäule war zu beachten. Ein „Botritys Überfall“ erreichte Sauternes/Barsac anfangs September, den vorhergehenden Regenschauern folgend. Ab dem 8. September erreichte man 30°C für mehrere Tage. Eine galoppierende Konzentration in den Beeren, vor allem im Barsac, war die Folge. Weswegen auch selten mehr als 2-3 Lesedurchgänge nötig waren, um die komplette Ernte einzubringen. „Diese explosionsartige Ausbreitung des Bortitys cinerea Pilzes ist äußerst selten, so Professor Denis Dubourdieu aus Bordeaux.
Professor Denis Dubourdieu
Erstaunliche trockene Weißweine.
Sehr uneinheitliche Rotweine verglichen mit 2009/2010.
Großartige Sauternes/Barsac Weine.
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