Von Wüsten, Rindern, John Wayne und dem IPod
Vor meinem ersten Besuch verband ich Kalifornien mit purem Sonnenschein, viel Natur und grünen saftigen Landschaften. Simply the sunny way of Life, cool und easy. Wer will nicht einmal mit dem dicken Amischlitten, eine Hand fest am Lenkrad und die andere zum lockeren Grüssen raushängen lassen. Den Ton der brabbelnden 10 Zylinder mit ihren fünf Liter Hubraum als Sinfonie im Hintergrund.
Und, na klar, San Francisco mit seiner stolzen Golden Gate Bridge. Eine klein gebliebene Großstadt, mit Charme, warmherzig und auf natürliche Art freundlich – Land und Leute. In gewaltigem Kontrast dazu, Los Angeles mit seinem „show off“ Hollywood und dem Hügel der Reichen, Bel Air. Beim gemütlichen Cruisen durch Bel Air, fällt mir auf, dass man hier auf die protzige Show verzichtet. Die großen Villen zeigt man nicht, versteckt liegen sie hinter gewaltigen Palmen und Mauern. Es duftet dezent nach Dollar und Glamour, aber es stinkt nicht penetrant danach. Mir sympathisch.Zurück zu dem, was ich so dachte und meinte über Kalifornien.Viele meiner Vorstellungen trafen zu, nur die saftigen, überall grünen Landschaften fehlten. Grün erhascht man nur dort, wo der Rasensprenger seine Arbeit tut. Beeindruckend sind Napa und Sonoma, vor allem durch ihren Mix aus rauen Bergen, wie man sie aus alten Westernfilmen kennt, dem nahen Pazifischen Ozean und den vielfältigen Agrokulturen mit ländlich erscheinendem Ambiente. Obstanbau vor allem, inklusive Traubenproduktion für Tafeltrauben, Rosinen und Wein. Immerhin über zwei Drittel aller Trauben werden zu Wein.
Im Nachhinein betrachtet und Kalifornien als zusammenhängendes Ganzes gesehen, bleibt immer der Gedanke an eine Wüste haften. Das Bild einer gewaltigen Oase. Wo nicht bewässert wird, ist es meist dürr, doch gewöhnt man sich recht schnell an das Gelbbraun der Landschaft. Es erscheint bizarr, Rebstöcke in sattem Grün und einen Schritt daneben verdörrt aussehender Boden. Immer wieder auch, wie ein Mosaik dazwischen gelegt, auf dürren Weiden, Herden von schwarzen Rindern. Da fehlt nur noch John Wayne, der um die Ecke kommt. Mit seinem unnachahmlichen Gang, das Gewehr lässig über die Schulter gelegt, schlurft er auf mich zu.
Drei Weingüter haben mich auf diesem Kurztrip beeindruckt: Beringer, Etude und Stags Leap Winery. Alle drei kommen aus dem weltweit agierenden Weinimperium Treasury Wine Estates (TWE). Und nein, es ist kein Dankeschön für die Einladung zu dieser Pressereise. Die Qualität stimmt einfach, nicht mehr aber auch nicht weniger.
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Nur mit Bewässerung
Ohne Bewässerung geht es in den kalifornischen Weinregionen Napa Valley und Sonoma Valley nicht. Sie ist Standard, ein „Must“ und nicht nur ein „nice to have“. Jede Winery besitzt irgendwo entweder einen unterirdischen, meist gewaltigen Wassertank oder einen oberirdisch künstlich angelegten See. Ein wenig an große Wasserbassins erinnernd, ich sehe förmlich Kids darin rumplanschen. Diese Wasserreservoirs versorgen die Bewässerungsleitungen mit dem nötigen Nass. In einer Höhe von 40 bis 60 Zentimetern sind die schwarzen Leitungen an die Rebstöcke angebunden. Tropfenweise bekommt jeder Rebstock das kostbare Wasser, punktgenau und exakt dosiert. Zeitpunkt und Menge sind enorm wichtig. Unmittelbar beeinflussen diese zwei Parameter nämlich die Qualität des Leseguts. Auch die Ausbildung der Aromen in der Beere ist zum Teil davon abhängig.
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Will Drayton, als „Regional Viticulturist“ verantwortlich für eine Fläche von vielen Hundert Hektar Reben, meint dazu: “Der Rebstock bringt nur bei optimaler Bewässerung beste Traubenqualität. Optimal heißt keinesfalls sintflutartig zu bewässern, wie beispielsweise beim Reis. So wie jedes Jahr das Wetter unterschiedlich ist, so sind Menge und Zeitpunkt anzupassen“.
Hierfür nutzt Will Drayton neuste Technologien zur Überwachung und damit Optimierung der Traubenqualität. Die Weinbergsmanager haben permanenten Zugang zu allen erdenklichen Informationen. Und warum auch nicht Satelliten und neuste Informationstechnologie zur Verbesserung der Qualität der Weintrauben nutzen? Bekanntermaßen wird die Qualität ja im Weinberg festgezurrt.
Nicht selten begegnet einem ein Weinbergsmanager mit dem IPod in der Hand auf den staubtrockenen Wegen zwischen den einzelnen Rebblöcken.
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Napa und Sonoma
Mit dem Auto fährt man von San Francisco in nordöstlicher Richtung eine gute Stunde zu den beiden berühmtesten Weinregionen Kaliforniens. Schilder bekannter Namen reihen sich aneinander, es kommt unweigerlich Nostalgie auf. Denn Mondavi, Beualieu Vineyard, Beringer, Montelena, Grgich, Heitz, Charles Krug, Martini, Stags Leap, Ridge Vineyards, Gundlach-Bundschuh und Schug sind Namen, die tatkräftig am Ruf des kalifornischen Weinbaus und dessen Aufstieg mitgewirkt haben. Bis zu jener legendären Pariser Verkostung, von Stephen Spurrier 1976 organisiert, nahm man Weine aus Kalifornien nur als Exoten war. Doch außer vielleicht in Frankreich hat man inzwischen anerkannt, dass aus Kalifornien Weltklasse-Weine kommen, die auf Augenhöhe mit den etablierten Gewächsen stehen. Im Besonderen mit Bordeaux sind Napa und Sonoma in einem Atemzug zu nennen. Immer wieder aufs Neue erstaunlich, wie lange diese auf der Flasche reifen können und auch noch nach 30 Jahren oder mehr größtes Trinkvergnügen bereiten. Nicht immer kann da das große Vorbild Bordeaux mithalten.
Das trockene Klima lässt es zu, ohne Weiteres biologisch zu produzieren. Regen fällt in den Monaten von April bis Oktober äußerst selten und damit ist die Gefahr von Krankheiten sehr gering. Niederschläge fallen im Winter und füllen die Wasserreservoirs für den Sommer auf. An den der Küste nahe gelegenen Weinlagen ist es etwas kühler und leicht feuchter als den Inland zugewandten.
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Beringer Vineyards
Schon mal von Beringer gehört oder getrunken? Gehört ja, getrunken nein, so erging es zumindest mir. Die Beringer Private Reserve Linie ist die Toplinie und was für eine. Überragend. Eine Cuvée aus inzwischen acht Weinlagen, die 1977 erstmals abgefüllt wurde.
Am Howell Mountain imNorden: Vogt Vineyard, Rancho del OsoVineyard, Steinhauer Ranch Vineyard und Bancroft Ranch Vineyard. Dann vom etwas südlich gelegenen Spring Moutain Districht: Chabot Vineyard, St. Helen Home Vineyard und Marston Vineyard. Der Lampyride Vineyard am Mount Veeder ist der am südlichsten gelegene. Fährt man von Süden nach Norden werden die Lagen immer wärmer und bei Calistoga, das etwas westlich des Howel Moutain liegt, ist die heißeste Zone des Napa Valley.
Weine der Private Reserve Linie sind keine, die vor Leichtigkeit davonfliegen. Kein verblühter Löwenzahn, der beim kleinsten Hauch davon schwebt. Nein, das ist es nicht, kann es auch nicht sein und viel wichtiger, man probiert es erst gar nicht. Stattdessen versucht man den Gegebenheiten Rechnung zu tragen. Die Kraft aus Konzentration und Alkohol durch Struktur, Säure und wenig Schminke auszugleichen. Eine innere Balance ist das Ziel. Ziel erreicht.
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Stags Leap Winery
Verwechslungsgefahr! Es existieren zwei Weingüter mit fast identischem Namen, die dazu noch nahe beieinander liegen: Stags Leap Winery und Stag’s Leap Cellars. Dazu ist Stags Leap auch noch der Name der AVA American Viticultural Area), in der beide Güter liegen. Stags Leap Winery ist die deutlich ältere, sie wurde 1893 gegründet. Stilistisch trennen sie Welten.
Ich hatte diesmal die Stags Leap Winery besucht, deren Stil kraftvoll, modern aber nicht fett oder marmeladig ist. Um die Stags Leap Winery zu besuchen, verlässt man den Silverado Trail Richtung der Berghänge und trifft dann schon bald auf die „Winery“. Wie im Bilderbuch schmiegt sie sich an den Hang und strahlt eine gemütliche Ruhe aus. Viel Historie im alten Gebäude der Gründerfamilie, ein „heile Welt“-Gefühl kommt auf. Und die Weine? Kraftvoll und knochentrocken. Manchmal mit eindrücklicher Wucht, aber ohne den berühmten Johannisbeersaft. Weine für den Weintrinker, der sehr kraftvolle Weine mag und nicht auf Struktur verzichten will. Aber genauso wenig den likörähnlichen Weintypus bevorzugt. Einbildung oder nicht, aber man meint, die französische Herkunft des weit gereisten Weinmachers schaut immer wieder mal um die Ecke.
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Etude
Östlich von Carneros gelegen, im kühlsten Teil des Napa Valley, findet man das Weingut Etude. Auch nach amerikanischen Verhältnissen ein noch sehr junges Weingut. 1982 gegründet und mit dem Önologen und Direktor Jon Priest von jemandem geführt, der die kühle Region zu nutzen weiß. Sein Credo:reife Frucht mit Struktur und frischer Säure zu verbinden.
Er sagt selbst, dass er mit dem erreichten nicht unzufrieden ist, aber gleichzeitig überzeugt ist, noch eine Schippe an Eigenständigkeit draufpacken zu können. Und ja, es liest sich jetzt etwas nach einer Marketing-Leier aber ich habe es wirklich so empfunden: Die Weine haben alle eine klare Frische und sehr pure Aromatik. Man schmeckt schon den Unterschied im Klima, auch deshalb, weil Jon Priest bewusst diesen Unterschied herausarbeitet. Das heißt aber keinesfalls, dass wir Weine mit 12 Prozent Alkohol haben. Es steht schon meist die 14 aber mit dünnem Bleistift geschrieben und nicht mit fettem Marker. Power ja, überpowert, nein. Zudem ist Jon Priest kein Marketing-Dampf-Plauderer, er kommt sehr ehrlich und unprätentiös daher. Die Weine scheinen etwas davon abbekommen zu haben, im besten Sinne.
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Degustationsnotizen
Beringer Private Reserve Cabernet Sauvignon
1977 nicht rekonditioniert
offen, enorme Eukalyptusnoten, getrocknete Minze, Tannennadeln & Noten von Baumharz (positiv), entwickelt sich im Glas sehr positiv, enorme Tiefe & vor allem Komplexität, vielschichtig, reif, wirkt knochentrocken, rassig, wunderbar elegant.
Auch am Gaumen knochentrocken, feingliedrige Säure, wunderbar feingliedriges Tannin, dabei mit Dichte & Kraft, erinnert irgendwie an Vulkanböden, bestens balanciert mit Rasse, Eleganz, Finesse & satter Mineralität, dito Nase plus schwarze Noten von flüssiger Lakritze & etwas Teer, wird sich so weitere 10 Jahre halten, enorm langer, komplexer und samtiger Abgang. 18.75/20, bis 2022
1982
Nach 20 Minuten kam ein leichter TCA durch ABER darunter ein toller Wein, balanciert, reife Noten von Pflaumen, etwas Schwarzkirsche & getrockneten grünen & schwarzen Kräutern, Zedern & etwas Eukalyptus. Sollte um die 18+/20 liegen und sich bis 2025 halten.
1992
offen mit unglaublicher Tiefe & Komplexität, wieder dichte Eukalyptusnoten, Riccolanoten, Schwarztee & dahinter reife rotschwarze Früchte, feinste Bitterschokolade,
saftige vollreife Pflaume & etwas rostige Nägel, Hauch flüchtige Säure, rassige kraftvolle Art, mit genialer Eleganz & Balance, feste Säure & leicht körniges Tannin, sehr stimmig, steht wie eine 1, mittig saftige Frucht & ungeheure Tiefe, feingliedriger aber auch kraftvoller Stil, gewinnt mit der Zeit im Glas, enorm langer Abgang. 18.75/20, bis 2026
2002
48% Steinhauer Ranch, 23% St. Helena Home Ranch, 8% Marston Vineyard, 7% Bancroft Ranch, 6% Rancho del Oso, and 2% Chabot. Also added to the blend is a touch of Cabernet Franc (6%) from Bancroft and Steinhauer Ranches
mittlere Intensität, aromatisch sehr dicht, dabei nicht fett oder marmeladig konzentriert, viel schwarze & rote vollreife Frucht, grüne herbe & erdige Noten, etwas reifes Gemüse, frische ätherische Kräuter, Zedern & etwas Tannennadeln, tief, dicht.
geniale Balance, trotzdem dicht & kompakt, viel dichtes feinmaschiges Tannin, frische aber saftige & sehr klare Säure, dito Nase aber deutlich verschlossener als diese, gewinnt im Glas enorm, mind. 3-4 Std. dekantieren, hervorragendes Potenzial, wird noch zulegen, enorm langer, sehr stimmiger noch junger wirkender Abgang. 18.5/20, bis 2035
2009
98% Cabernet Sauvignon, 2% Petit Verdot
37% St. Helena Home (St. Helena), 23% Lampyridae (Mt. Veeder), 14% Vogt (Howell Mountain), 11% Chabot (St. Helena), 9% Rancho del Oso (Howell Mountain), 4% Marston (Spring Mountain), 2% Knights Valley (Knights Valley),
Aged 22 months in French Nevers oak (95% new), Aged 9 months in bottle
relativ offen & noch brachial jung, viel vollreife schwarze Frucht, Rote Johannisbeere, etwas Brombeere aber alles von erdigen Noten untermauert & nicht konzentriert fruchtig. enorme Tiefe, momentan eher nur mittlere Komplexität, Abbild der Nase, sattes aber reifes & mürbes Tannin, feste Säure, sehr mineralisch, Asche & schwarzer Boden, Hauch schwarzer Pfeffer, viel Potenzial, braucht viel Zeit oder mindestens 24-stündiges dekantieren, kann noch deutlich zulegen, enorm langer noch verschlossener Abgang. 18.5/20, 2016-2035+
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Stags Leap Winery
2009 Petite „Sirah“
80% Petite Syrah, 20% (Syrah, Grenache, Mourvèdre) / 100% American oak (25% new) 14 months
sehr dezent & hart wirkend, komplett verschlossen.
kraftvoller aber balancierter Stil, sehr satte & kompakte Art, mittig noch etwas trocken, antrocknende Tannine, mittlere Säure, sehr dichte & leicht gekocht wirkende Frucht, etwas schwarze vollreife Johannisbeere, Holunder, Holunderbeeren, noch etwas sperrig, viel Zeit, Kraftpaket, wild & ungestüm, sehr langer & noch leicht spröder Abgang. 17/20, 2014-2022
2009 Cabernet Sauvignon
79% Cabernet Sauvignon 10% Merlot 6% Cabernet Franc 3% Petite Sirah 1% Petite Verdot 1% Malbec / 100% French oak barrels (37% new) for 20 months
Mittlere Intensität, wirkt sehr elegant & stimmig, reife rote & schwarze Waldbeeren, etwas Blaubeeren dazu, leichte röstige Aromen, animierend, Tabakblätter, vielschichtig, trocken fast staubig zu anfang, dicht aber nie zu konzentriert, mit Luft etwas Schokolade & Waldboden, sehr tief.
Am Gaumen kraftvoll aber elegant & mit sehr guter Balance, recht mineralisch & mit guter Säure, sandiges Tannin das recht reif & stützend daher kommt, wunderbares Spiel der Frucht mit dem Tannin, Rückgrad, Arome wie Nase aber alles etwas frischer & lebendiger, Barrique bestens eingebunden, eher schwarze Frucht mit Brombeer- & Kirschnoten, zusammen mit wieder vegetabilen Aromen, sehr komplexer Stil, sehr langer, wunderbar kraftvoller zugleich eleganter Abgang. 18.25/20, bis 2030
2009 The Leap
Cabernet Sauvignon, 100% French oak barrels (50% new) for 20 months
anfangs dezent dann sich öffnend, dabei anfangs auch wuchtig & leicht alkoholisch wirkend (nach 30 Minuten nicht mehr), dann trockene schwarze & rote Beerenfrucht, viel mürbe Früchte, sehr tief, komplex, nicht fett aber sehr kraftvoll.
Am Gaumen sehr kraftvoll, dichtes etwas sprödes Tannin, recht frische Säure, noch gute Balance aber auf der sehr kraftvollen Seite, schwarze leicht rußige Frucht, vollreife schwarze Brombeere, etwas Lakritze, sehr langer, enorm kraftvoller & trockener Abgang. 17.25/20, bis 2024
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Etude
2010 Chardonnay
25% stainless steel 75% neutral French oak barrels for 10 months
eher dezent aber im Glas dann offener werdend, kalkig-mineralisch, sehr rassiger & kühler, sehr mineralisch, ungemein burgundischer Stil, dabei dicht & elegant, herbe grüne & gelbe Früchte, reifer grüner Apfel, Zitronenmelisse, tief, balanciert, stimmig.
kraftvoller doch ausgewogener Stil, wunderbar nervige Säure, frisch im besten Sinne, reintönig, gradlinig, Rasse trotz der 14.2%, dito Nase plus mit satter Zitrusnote & etwas golden Delicious-Apfel, Hauch Würze im Hintergrund, straffer Stil, sehr langer, dichter aber auch frischer Abgang. 17.75/20, (...)
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