Würzburg – Müller-Thurgau, Silvaner und Bacchus sind die beliebtesten Rebsorten in Franken. Doch mit fortschreitendem Klimawandel könnten die fränkischen Klassiker Probleme bekommen, sagt der Würzburger Klimaforscher Heiko Paeth. Denn nicht alle sind den steigenden Temperaturen gewachsen. Die Folge: Sonnenbrand.
Frage: Wie wird sich das Klima im Weinland Franken entwickeln?
Antwort: Wir beobachten seit dem Zweiten Weltkrieg, dass Franken sich deutlicher als viele andere Regionen der Erde erwärmt hat. Außerdem gibt es eine Tendenz zu mehr Niederschlag im Winter und etwas weniger im Sommer. Das wird sich in Zukunft verstärken. Auch die Erwärmungsrate wird noch einmal etwas steigen, man rechnet für Unterfranken mit einer Erwärmung von vier bis fünf Grad bis zum Ende des 21. Jahrhunderts gegenüber dem vorindustriellen Niveau. Auch das ist überdurchschnittlich und würde bei uns zu einem Temperaturmittel führen wie in Bordeaux.
Möglicherweise werden 20 bis 30 Prozent weniger Niederschlag im Sommer fallen, das führt zu Wasserstress im Weinbau. Der Wein wurzelt hier zwar tief in den Muschelkalkböden und kommt immer noch ganz gut an das Grundwasser heran, aber wenn die Sommerniederschläge systematisch zurückgehen, dann bekommt auch der Wein Trockenheitsprobleme.
Frage: Was hat das für Auswirkungen auf den Weinbau?
Antwort: Der Wein mag grundsätzlich hohe Temperaturen. Das ist eine Pflanze, die mit Sonneneinstrahlung und eigentlich auch mit Trockenheitsstress gut zurechtkommt. Aber nur bis zu einem bestimmten Grad. Und dass wir auch heute schon manchmal diesen Schwellwert überschreiten, sieht man daran, dass die Trauben immer häufiger Sonnenbrand bekommen.
Die Oberfläche der Traube kann genauso Sonnenbrand erleiden wie menschliche Haut. Und das passiert vor allem bei den Rebsorten, die traditionell für wenig Sonneneinstrahlung und kühles Klima gezüchtet wurden, zum Beispiel Riesling und Bacchus. Das sind die ersten Rebsorten, die besonders betroffen sind.
Frage: Die Winzer bemerken den Klimawandel also schon heute?
Antwort: Ja, denn das Austriebsdatum, Blüte-, Reife- und Lesedatum, alles was das Winzerleben im Jahresverlauf steuert, verlagert sich immer weiter nach vorne. Und es gibt bestimmte biochemische Indikatoren für den Wein, zum Beispiel den Grad Oechsle, der das Mostgewicht, also den Zuckergehalt, anzeigt. Die nehmen ständig zu.
Auch sehr starke Niederschläge werden häufiger, darauf reagieren die Winzer. Früher waren die Weinberge nicht so grün, die Erde wurde mit Unkrautvernichtungsmitteln freigehalten, damit die ganze Kraft des Bodens in die Reben geht. Heutzutage ist wenigstens jede zweite Reihe begrünt – als Erosionsschutz.
Die Winzer bemerken auch den Trockenstress: Die Blätter welken, das vegetative Wachstum funktioniert nicht mehr so gut, deshalb wird bewässert. Ein anderer Problemkomplex fängt gerade erst an: Pflanzenkrankheiten und Schädlinge. Es gibt zunehmend Seidenspinner und andere Schädlinge und Pilze, die den Ertrag senken und früher im Mittelmeerraum heimisch waren. Auf einmal sind die auch bei uns zu Hause.
Frage: Bieten die veränderten klimatischen Bedingungen auch Chancen für die fränkischen Winzer?
Antwort: Im Moment sind die Winzer über den Klimawandel, der bisher stattgefunden hat, zufrieden. Denn das Mehr an Sonnenstunden und Wärme hat eher zu einer Qualitätssteigerung geführt. Bis zu einem gewissen Schwellenwert kann der Wein profitieren. Aber wenn solche Schwellenwerte überschritten werden, oder wenn Mechanismen, die wir noch nicht gut verstehen, wie zum Beispiel die Kalamitäten durch Ungeziefer, die Oberhand gewinnen, dann kann das System auch ganz schnell kippen.
Frage: Sie sagten, Unterfranken werde ein Temperaturmittel bekommen wie Bordeaux: Stellen die Winzer nun auf schwere Rotweine um?
Antwort: Vor 30 Jahren waren wir ein reines Silvaner-, Müller-Thurgau-Land mit ein bisschen Riesling, Bacchus und Domina.
Heute haben wir eine Rebsortenvielfalt von über 20 Sorten, was das fränkische Weinbaugebiet auch sehr besonders macht. Und die Landesanstalt für Wein- und Gartenbau hat auf ihrem Versuchsgelände mittlerweile Shiraz und Cabernet Sauvignon, das sind die schwersten Rotwein-Rebsorten die wir kennen. Und diese Weine funktionieren. Ob sie ein großes Marktsegment erlangen, ist die eine Frage. Oder ob man eher versucht, die traditionellen Rebsorten ein bisschen anpassungsfähiger zu machen. (dpa/lby)
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