PUNKTEWIRRWARR! WAS IST RICHTIG?

Gabriel_profil_icon de Rene GabrielPremium_small, le 28. juillet 2009 15:53

Da ähnliche Fragen ab und zu bei mir eintreffen, hier ein klärendes Statement. Aber zunächst mal die Frage und unten die Antwort...

Mail-Anfrage von J. M. aus dem Saarland:

Hallo Herr Gabriel,
auf einer momentan laufenden Online-Weinauktion (www.munichwinecompany.com)
wird folgendes Lot angeboten:

535: Ch. Sociando Mallet 1997 0,75l
Haut Medoc Cru Bourgeois, (Bordeaux, Frankreich)
3 Flaschen
EUR 90 - 140

GABRIEL: 17/20: Gehört für mich momentan zu den beeindruckendsten 97ern. Er ist A
gross und B einer der günstigsten der Allerbesten! Eine ausserordentliche Sonderleistung.

Auf Ihrem weininfo.mobil-Service findet sich jedoch folgende Bewertung für
den 97er Sociando Mallet:

Haut-Médoc, Sociando-Mallet

2008: 17/20 warten
2007: 16/20 warten
2006: 18/20 warten
2005: 19/20 warten
2004: 17/20 warten
2003: 18/20 trinken
2002: 17/20 trinken
2001: 17/20 trinken
2000: 17/20 warten
1999: 17/20 trinken
1998: 18/20 trinken
1997: 16/20 trinken

Wurde dieser Wein von Ihnen abgestuft? Könnten Sie mir freundlicherweise das Bewertungsdatum des weininfo.mobil-Service mitteilen, da dies nicht unerheblich für meine Kaufentscheidung ist.

Danke im Voraus. Grüße aus dem Saarland


Antwort von René Gabriel:

Wein ist eine lebendige Sache und in seinem Leben von der Geburt weg Schwankungen unterworfen. Diese Schwankungen sind Evolutionen und unterliegen den Gesetzen der Natur. Manchmal ist es sogar die Tagesform die durch die Wetterlage bestimmt sein kann. Kündigt sich ein Tief an, so komprimiert sich die Textur und ein Wein wird sperrig und verschliesst sich. Ist die Wetterlage gut oder geht in Richtung Hoch, so befindet sich auch der Wein in einem Hoch und präsentiert sich besonders schön.

Das ist eine Theorie die ich unterstütze - aber nicht von mir stammt, sondern von Christian Moueix (Hosanna, Magdeleine, Trotanoy, Pétrus...)

Bei meinen Punkteschwankungen geht es aber nicht um Tagesformen, sondern um die Hochs und Tiefs die ein Wein zwischen Geburt und Genusstod durchläuft.

Erste Stufe: Bei der Fassprobe, versuche ich möglichst genau jene Stufe zu deklarieren, die ein Wein in seiner besten Genussphase erreichen wird. Um sicher zu gehen, dass ich keinen Wein später abwerten muss, lege ich die Messlatte im kleinsten Zweifelsfall einen Punkt tiefer an, um mir nicht später Vorwürfe von Käufern machen zu müssen.

Zweite Stufe: Wird ein Wein dann ausgeliefert, respektive ist er als fertiges Produkt in die Flasche gefüllt, so gibt es meistens Präsentationen von den Produzenten (z.B. Union des Grands Crus) oder Händler bieten Arrivage-Verkostungen an. Dort wird das Potential neu, respektive wieder justiert. Meist mit der gleichen Punktezahl wie bei der Fassprobe. In etwa 20 % der Fälle einen Punkt höher. Extrem selten tiefer.

Dritte Stufe: An Weinproben von Privatpersonen werden (zu) oft Weine geöffnet die eigentlich noch zu jung sind. Meist präsentiert der Gastgeber die Weine blind. Da kann es schon mal sein, dass der in sich verschlossene Wein nicht ganz das zeigt (zeigen kann!), was in ihm steckt. Und so passiert es, dass der vielversprechende Wein in dieser Zwischenphase um einen Punkt unter seinen Erwartungen liegt.

Vierte Stufe: Der Wein ist reif und macht genau so viel Freude, wie man es in den langen Jahren der Wartens erhoffte. Die effektive Genussreife ist da! Der Wein verdient jetzt seine Punkte und diese Wertung ist in der Regel für fast alle Weinkenner nachvollziehbar.

Fünfte Stufe: Langsam aber sicher gerät der Wein in seine letzte Lebensphase. Die Nase gibt mehr her als der Gaumen verspricht. Bei kleinerer Jahrgängen werden nach dem Nachlassen der Frucht und dem Verschwinden der verführerischen Barriquensüsse kleinere oder gar grössere Mängel sichtbar. Der Spass und die Punkte sinken linear.

Was heisst das Alles jetzt im Falle des angefragten Sociando-Mallets 1997? Ich habe ihn in mehreren Büchern immer wieder beschrieben! Und auch zwei Mal im WeinWisser. Immer habe ich ihn in meiner Access-Datei akribisch nachgeführt. Es liegt völlig an der Natur der Sache, dass ein 97er Bordeaux (schwieriger, eher leichter Jahrgang), heute schon mehr oder weniger leicht auf dem absteigenden Ast ist. Wenn ich die Datei auf weininfo.mobi auffrische, erscheinen dort sofort die allerneuesten Wertungen. Also ist das immer die aktuellste Variante.

1997 Sociando-Mallet: 98: Fassprobe (17/20): Intensives Brombeeren- und Redwoodbouquet, Lakritze und Cassisstaudenwürzton. Saftiger, geradliniger Gaumen, mittelgewichtig vom Fleisch her, jedoch sehr intensiv in der Adstringenz, feinkörniger Fluss, noch etwas aufrauhend. 03: Jean Gautreau hatte mir eine Flasche geschenkt, als er mich im Restaurant Lion d'Or in Arcins entdeckte. Mit Signatur versehen, nahm ich diese Flasche mit nach Hause und trank diese zu einer sommerlichen Grillade: Müsste ich den Spass und die Freude bewerten, so wäre das einer der besten Weine seit langer Zeit gewesen. Vor allem dieses Cassisparfüm, welches ausserdem eine feine Zitronenthymianaromatik aufwies, hatte mich fast umgehauen. Vielleicht ist das auch nur seine momentane Top-Phase gewesen. Gehört für mich momentan zu den beeindruckendsten 97ern. Er ist A gross und B einer der Günstigsten von den Allerbesten! Eine ausserordentliche Sonderleistung. 05: Mittleres Granat mit Purpur-Schimmer, feiner Rand aussen. Süsses, sanft trockenes Bouquet, Kirschentouch, Rosenpfefferkörner, gegerbtes Leder, mittlere tiefe anzeigend. Im Gaumen stoffig, leicht körniger Fluss, Weichselschalen, zeigt erstaunlich viel Extrakt, bourgeoise Konturen aber dafür ziemlich charaktervoll, etwas arrogant dabei, weiteres Potential anzeigend. (17/20). 08: Aufhellendes Purpur, leicht matt, feine Reifetöne aber nicht so, dass man hier von einem 10jährigen Wein ausgehen könnte. Reifes, duftiges Bouquet, dezent grüne, aber nicht störende Noten, Pflaumen, so richtig, reifen Bordeaux zeigend. Im Gaumen weich, angenehm mit wenig Frucht aber immer noch viel Aroma. War zweifellos früher noch etwas besser, ist aber immer noch wunderschön zu trinken. 16/20 trinken - 2010

 


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